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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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brauchst du?“ Der Schreiber war bereit, zückte seine Schreibbinse über dem Papyrus. Ich bemühte mich, Stimme und Ausdruck vollkommen sachlich zu halten.
    „Nichts sehr Kompliziertes“, entgegnete ich. „Ich habe mich für die Zwiebel des Taubenwurzes entschieden, die zerstoßen und mit einer reichlichen Gabe Mohn versetzt wird. Was hältst du davon?“ Ich konnte an seinen Augen ablesen, daß er sich andere Möglichkeiten durch den Kopf gehen ließ, dann nickte er bedächtig.
    „Eine gute Wahl für einen schmerzlosen Tod“, sagte er.
    „Keine Krämpfe, kein Erbrechen oder Durchfall, man hört einfach auf zu atmen. Die Zwiebel ist natürlich der tödlichste Teil der Pflanze, und zerstoßen ergibt sie vermutlich ein Ro Pulver. Wie viel wiegt die Verurteilte?“
    „Nicht viel“, sagte ich rasch. „Sie ist seit ihrer Verhaftung stark, abgemagert. Aber zur Sicherheit nehme ich zwei Zwiebeln. Ich möchte nicht, daß sie leidet.“ Mich widerte die kalte, unpersönliche Art der Unterhaltung an, es hätte sich dabei genauso gut um die Behandlung von Würmern im Eingeweide drehen können wie um eine Rezeptur zur Auslöschung eines Menschen. Es wäre mir lieber gewesen, wenn ich die Entscheidung nur bei mir hätte treffen können, eine rasche, beschämte und heimliche Entscheidung, und dann auf die Schnelle die allerspärlichsten Anweisungen. Doch Pra-emheb schien es zu genießen, daß er sein Wissen vorführen konnte, vielleicht auch nur die vorübergehende Wichtigkeit, die es mit sich brachte.
    „Zwei Zwiebeln dürften genügen“, sagte er. „Und dabei ist es einerlei, ob sie frisch oder getrocknet sind. Natürlich muß man bei frischen bei der Zubereitung anders.“ Ich schnitt ihm scharf das Wort ab.
    „Ich weiß, wie man jedes in Ägypten erhältliche Gift, jede Arznei und auch viele fremdländische zubereitet“, fuhr ich ihn an. „Ich brauche keinen Unterricht. Du bist nicht hier, um mich zu belehren, sondern um meine Anweisungen zu befolgen.“ Er trat einen Schritt zurück und sah Amunnacht an, und jede Linie seines Körpers drückte Kränkung aus, doch der Hüter der Tür warf mir einen undeutbaren Blick zu und lächelte besänftigend.
    „Eine betrübliche Sache“, beschwichtigte er. „Wir sind alle verstört. Verzeih ihr, Pra-emheb, und laß uns unser Geschäft so schnell wie möglich hinter uns bringen.“ Ich verkniff mir die Entgegnung, die mir bereits auf der Zunge lag.
    „Hunro ist nichts Geschäftliches“, flüsterte ich, doch der Arzt hatte sich schon den Regalen zugewandt und murmelte vor sich hin: „Taubenwurz, Taubenwurz.“ Auf einmal verharrte seine Hand in der Luft. „Jetzt weiß ich, wer du bist!“ sagte er laut. „Ich erinnere mich an den Skandal. Damals machte ich gerade meine Lehre im Palast, habe die Diener behandelt, aber die Geschichte hat sich überall herumgesprochen. Du.“
    Wieder kam ich ihm zuvor.
    „Sag es nicht, Pra-emheb“, bat ich, nein, drohte ich. „Ich möchte es nicht mehr hören. Ich habe meine Strafe verbüßt und damit Schluß. Schluß!“ Unversehens überkamen mich Übelkeit und Schwindel, ich drehte mich um und sank auf eine der Truhen, die überall herumstanden. „Bitte, tu, was ich dir sage, und dann geh.“ Amunnachts Hand hatte sich warm und beruhigend auf meine Schultern gelegt. Pra-emhebs Hand bewegte sich wieder.
    Ich sah mit steinerner Miene zu, wie er einen Kasten herunterhob, zwei Zwiebeln einer Pflanze herausholte und den kleinen Beutel öffnete, der ihm am Gürtel hing, und ein Messer herausholte. Kundig schnitt er die vertrockneten, knisternden Überbleibsel des Stängels und die trockenen Wurzeln ab. Er nahm Mörser und Stößel, zerschnitt die Zwiebeln, warf sie in den Mörser und fing an, sie zu zerstoßen. Sie verströmten ein bitteres, erdiges Aroma, und da wußte ich, womit man sie auch immer versetzte, sie würden immer noch schmecken, wie sie rochen, bitter und gefährlich. Auf der Stirn des Arztes sammelten sich Schweißtropfen, denn die Arbeit war anstrengend, wie ich noch gut wußte. Amunnacht sagte zu dem Diener: „Stell die Lampe hin und hol Natron und eine Schüssel heißes Wasser.“ Der Mann entfernte sich, und seine Schritte hallten in dem verschatteten, hochgewölbten Raum. Ich stand auf und musterte die Regale, suchte einen Topf, in den man die fertige Flüssigkeit gießen konnte. Gerade als das Geräusch von Praemhebs Stößel aufhörte, fand ich einen Steinkrug mit breitem Rand.
    „Was jetzt?“ fragte er,

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