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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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will keinen Palastarzt rufen, weil sie befürchtet, daß er sie aus Gehässigkeit qualvoll sterben läßt. Sie ist nicht mehr in der Lage, sich andere Gefühle als ihre eigenen vorzustellen.“
    „Das war sie noch nie.“ Amunnacht kam zu mir, ergriff mich beim Arm und zog mich zum Stuhl. „Bemitleide sie nicht. Und um deiner selbst willen darfst du ihr die lächerliche Bitte nicht erfüllen.“ Ich ließ mich auf dem Stuhl nieder und blickte zu ihm hoch.
    „Ich habe bereits eingewilligt“, sagte ich. „Wie konnte ich anders? Prinz Ramses hat mir die Entscheidung überlassen, und als ich sie so gesehen habe, zerzaust und außer sich und tränenüberströmt, da war mir klar, daß mit Vernunft nichts auszurichten war. Der Mut hatte sie verlassen. Morgen ist der sechste Tag. Falls ich nichts unternehme, stirbt sie einen blutigen, schmählichen Tod.“ Er blickte nachdenklich auf mich herunter, dann seufzte er.
    „Man könnte sagen, ihr erntet beide, was ihr gesät habt“, bemerkte er. „Hunro stirbt durch die Hände der Frau, die sie dazu benutzt hat, eine andere zu ermorden, und du kannst dich völlig legal an ihr rächen. So schließt sich zu guter Letzt der Kreis. Hunro hat das Gesetz von Ursache und Wirkung zu spät begriffen, und du, meine liebe Thu, hast nicht mehr das Herz einer Mörderin. Das weiß ich. Der König weiß es. Nur du zweifelst noch an dir. Was soll ich in dieser Angelegenheit für dich tun?“
    Ich lauschte weniger auf seine Worte als auf den Ton seiner Stimme, die beschwichtigte und Mut machte. Sie war das Instrument, mit dem er überreizte Nebenfrauen beruhigte, aufsässige schalt oder Beschlüsse des Pharaos verkündete, und trotzdem glaubte ich nicht, daß er mich jetzt lenken wollte. Dazu kannten wir uns zu gut. Er war aufrichtig und besorgt, und das tröstete mich. „Du sollst bezeugen, daß die Bitte von Hunro selbst gekommen ist“, sagte ich bedrückt. „Der Soldat, der mich in ihre Zelle begleitet hat, wird es auch bezeugen. Ich möchte, daß du ein Dokument aufsetzen läßt, in dem ihre Worte und die Zustimmung des Prinzen und meine Einwilligung niedergelegt sind. Und ich möchte, daß du mit einem Palastarzt in das Lager mitgehst, mir bei der Arbeit zusiehst und die Zutaten aufschreibst, die ich verwende.“ Ich ballte die Fäuste und blickte ihn fest an. „Niemand soll später behaupten, daß ich ohne Erlaubnis gehandelt habe, ohne ihre oder die des Prinzen, oder daß ich ihr aus Rache ein gemeines Gift verabreicht habe, an dem sie qualvoll gestorben ist. Schlimm genug, daß alle davon erfahren, sich an meine Vergangenheit erinnern und sagen, genau das haben sie von mir erwartet!“ Er nickte.
    „Ich verstehe.“ Unversehens und überraschend ging er in die Hocke, nahm mein Gesicht in seine Hände und strich mir mit den Daumen sanft über die Lippen. „In zwei Tagen läßt der Prinz dich frei“, sagte er leise. „Dann ist alles vorbei. Alles, Thu. Danach mußt du wieder leben, Freunde finden, mit denen du lachen kannst, dich um die gute schwarze Erde kümmern und vielleicht um einen Mann, der deine Wunden durch seine Liebe heilt, damit du wieder in den Spiegel blicken und eine Frau sehen kannst, die geliebt wird und neu geboren ist. Doch du mußt es auch wollen. Du mußt dir schwören, daß du die Vergangenheit ablegst wie ein dünnes und zerfleddertes, abgetragenes Kleid. Willst du das tun?“ Ich drückte seine Hand und war überwältigt, daß er seine übliche Zurückhaltung so weit abgelegt hatte.
    „Ach, Amunnacht!“ sagte ich erstickt. „Trotz allem hast du mich immer unterstützt.“ Er lächelte belustigt, stand auf und legte sein Gesicht wieder in die gewohnten höflich-sachlichen Falten.
    „Ich bin der treue Diener des Pharaos gewesen“, sagte er, „und du warst einfach nicht zu übersehen.“ Damit ging er zur Tür und bellte einen Befehl in die Dunkelheit, und gleich darauf erschien ein Diener. „Hol meinen Schreiber“, befahl Amunnacht, kam wieder ins Zimmer und zog sich hinter seinen Schreibtisch zurück. „Und jetzt“, sagte er leise, „diktierst du eine Rolle, wie auch immer du die Worte wählst, und ich unterschreibe sie und schicke sie mit der Bitte zum Prinzen, daß auch er sie unterzeichnet. Alsdann gehen wir ins Lager.“
    Als sich der Schreiber einstellte, tat ich, was der Hüter der Tür vorgeschlagen hatte, und als ich fertig war, unterschrieb er mit Namen und Titeln. „Bring das unverzüglich zu Prinz Ramses“, wies er den Mann an,

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