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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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sich nie dafür, wohl weil sie sich auf eine hochnäsige und gedankenlose Art für den Nabel der Welt hielt. Doch ich hatte die Halle nur einmal durchmessen und wollte mich gerade auf einen der zerbrechlichen Stühle aus Zedernholz setzen, da kam sie aus dem hinteren Teil des Hauses angerannt. Als sie mich erblickte, blieb sie stehen. Ich sah sie erstaunt an, denn sie hatte sich nur einen losen Kittel über den ölglänzenden Leib geworfen. Ihr Gesicht war nicht geschminkt, und sie hatte sich das Haar hochgesteckt, wie es gerade kam. So unordentlich hatte sie sich nie blicken lassen. „Kamen!“ platzte sie heraus. „Hast du auf mich warten müssen? Tut mir leid. Ich wurde gerade massiert. Verzeih mein Aussehen. So bald hatte ich dich nicht erwartet.“ Die Worte erstarben ihr auf den Lippen. Sie blickte auch nicht so mißbilligend wie üblich, wenn ich mich anders als in tadellosem Zustand einstellte. Mein Schurz war fleckig und zerknautscht, und an meinen Beinen und in meinen Haaren klebte noch der Staub der Stadt, doch sie schien es nicht zu bemerken, sondern stand noch immer wie angewurzelt, einen nackten Fuß auf dem anderen, und kaute auf der Lippe. Nachdem ich sie etwas ratlos betrachtet hatte, ging ich zu ihr, ergriff ihre heiße Hand und küßte sie sanft auf die Wange.
    „Takhuru, du hast mir gefehlt“, sagte ich pflichtschuldig. „Bist du krank? Du wirkst so erregt?“
    „Wie?“ sagte sie. „Nein, Kamen, danke, es geht mir sehr gut. Aber ich muß sofort mit dir reden. Ich habe etwas sehr Wichtiges, was ich dir zeigen muß. Es ist mir schwergefallen, fast drei Wochen lang auf deine Rückkehr zu warten. Komm mit in mein Zimmer.“ Auf einmal verspürte ich eine Welle nachsichtiger Zuneigung zu ihr. Sie blickte mit erhitztem Gesicht und leuchtenden, erwartungsvollen Augen zu mir hoch, dennoch verrieten ihre verkrampften Finger und ihre verlegene Haltung, daß ihr etwas auf der Seele lag.
    „Gern“, sagte ich. „Aber zuerst muß ich mit dir reden. Es ist etwas passiert, Takhuru, etwas ziemlich Schreckliches. Kann ich dir vertrauen?“ Sie zog ihre Hand zurück.
    „Natürlich.“
    „Es handelt sich nicht um ein leichtfertiges Geheimnis, das sich für den Klatsch mit deinen Freundinnen eignet“, ermahnte ich sie. „Du mußt mir schwören, daß du es für dich behältst. Hathors Fest steht bevor. Schwöre bei Hathor!“ Sie trat einen Schritt zurück. „Ich schwöre“, sagte sie stockend. „Kamen, du machst mir angst.“
    „Tut mir leid. Komm mit in den Garten, dort kann uns niemand belauschen.“ Sie folgte mir ohne Widerrede in den nachmittäglichen Sonnenglast, und ihr Schweigen überzeugte mich mehr als alles andere, daß irgend etwas sie furchtbar verstört hatte, denn normalerweise hätte sie sich nicht getraut, das Haus unangekleidet und ungeschminkt zu verlassen, es hätte sie ja jemand sehen können. Ich führte sie in die Abgeschiedenheit des Gebüsches, zog sie aufs Gras und erzählte ihr alles. Ich wußte, daß ich ein hohes Risiko einging, doch wenn ich Takhuru als meiner Verlobten nicht trauen konnte, wie dann als Ehefrau? Paiis war in ihrem Haus häufig zu Gast. Er und ihr Vater waren alte Bekannte. Und Paiis war der Bruder des Sehers.
    Während ich redete, ihr die Geschichte der Frau erzählte und dann die furchtbaren Ereignisse der letzten Wochen, entfaltete sich alles vor mir wie ein Stück besticktes Leinen, und mir ging auf, daß der Seher gewußt haben mußte, was Paiis plante. Vielleicht war der Befehl zu Thus Vernichtung sogar auf sein Betreiben hin zustande gekommen. Ich hatte das Manuskript gelesen. Hui war ein kalter, gewissenloser Mensch, er hatte ein junges Mädchen benutzt und es dann seinem furchtbaren Schicksal überlassen. Würde ihr Tod ihm mehr ausmachen, als wenn er eine lästige Fliege totschlug? Besonders wenn die Gefahr drohte, daß die Machenschaften seiner lange vergessenen Vergangenheit schließlich doch noch ans Licht kamen? Ich hatte die Geschichte gelesen und geglaubt, denn sie war völlig überzeugend und überführte ihn. Falls sie in die Hände des Königs geriet, wäre seine Reaktion vielleicht die gleiche gewesen? Angenommen, Paiis hatte den Kasten geöffnet, sie gelesen und erkannt, daß sie zu überzeugen vermochte, hatte sie an den Seher weitergegeben, und dann hatten sie gemeinsam beschlossen, daß erstens Thu sterben mußte, und zweitens ich, falls auch ich sie glaubwürdig gefunden hatte.
    Takhuru beobachtete mich eindringlich. Sie hatte

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