Die Herrin Thu
sich die Lagerhäuser von Pi-Ramses reihten. Wir waren schnell vorangekommen. Die Rückreise hatte acht Tage gedauert, und ich beglückwünschte meine Ruderer und gab ihnen drei Tage frei. Ich hatte sie wissen lassen, daß ich mich in der Stadtmitte mit einer Eskorte treffen wollte, die sie zum Gefängnis bringen sollte. Auf dem Kai waren immer Soldaten, die bereitstanden, um kostbare Fracht zu den Tempeln oder zum Palast zu begleiten. Von denen mochten durchaus einige auf mich warten. Also entließ ich meine Männer und wies sie an, das Boot zum Militärhafen zu bringen, wo es überprüft werden sollte, ehe ich es dem General zurückgab, führte die Frau in den Schatten eines Lagerhauses, nahm ihr die Fessel ab, und dann tauchten wir zusammen in der Menschenmenge unter. Sie hatte die Kapuze ihres Umhangs hochgeschlagen und zog keine Aufmerksamkeit auf sich.
Der Tag war angenehm warm. Der Monat Athyr lag fast hinter uns, und im Khoiak war die schlimmste Sommerhitze vorbei. Es würde ein langer, staubiger Weg zu Takhurus Tor werden, doch mir war beim allerbesten Willen kein anderes eingefallen, auf dem ich sie hätte hinführen können, ohne Verdacht zu erregen. Ich drängte mich durch den üblichen städtischen Trubel aus wiehernden Eseln, knarrenden Karren und kreischenden Budenbesitzern, hinter mir die Frau und vor mir viele Probleme. Würde Takhuru daheim sein? Wie brachte ich die Frau an Nesiamuns Torhüter vorbei? Wieviel Zeit blieb mir, bis Paiis Nachricht davon erhielt, daß meine Ruderer zurück waren und ich noch immer lebte?
Das Gedrängel ließ nach, als wir die Lagerhäuser hinter uns ließen und in den Marktbereich kamen. Hier scharte sich die Menschheit um die ausgelegten Waren, daher kamen wir schneller voran. Jetzt tauchten Bäume auf, in deren Schatten Männer mit schmutzigen Lendentüchern auf der nackten Erde hockten, gestikulierten und sich krächzend unterhielten, während rings um sie das städtische Leben tobte. Gelegentlich warf ich einen Blick zurück, doch stets hielt sie sich dicht hinter mir, die bloßen Füße jetzt mit hellem Staub bedeckt, während ihr der Umhang um die Knöchel flatterte. Wir bahnten uns einen Weg durch eine Gruppe von Gläubigen, die sich um einen kleinen Hathor-Schrein scharte, und mir stieg im Vorbeigehen Weihrauchduft in die Nase. Das Hathor-Fest am ersten Tag des Khoiak stand unmittelbar bevor, an diesem Tag würde ganz Ägypten die Göttin der Liebe und Schönheit feiern.
Im Dahinschreiten dachte ich an meine Frauen. Takhuru, schön und eigensinnig, mit ihrem gesunden, verhätschelten, jungen Leib. Meine Mutter Shesira, stets erlesen gekleidet, stets mit einer kostbaren Kette geschmückt oder Armreifen oder Ringen, mit denen mein Vater sie verwöhnte. Mutemheb und Tamit mit ihrer hellen Haut, die nie mit der Sonne in Berührung kam, ihrem zarten Leinen und duftenden Haarölen und Tiegeln voller kostbarer Duftsalben. Hinter mir trabten ein Paar derbe, schwielige Füße, der Körper nicht durch den Luxus Sport drahtig, sondern durch Zwang zu harter Arbeit, ein Gesicht, das allzu oft von Res brennendem Finger berührt worden war. Dennoch hatte ich nicht gelogen, als ich ihr sagte, sie sei noch immer schön. Ihre funkelnden blauen Augen offenbarten einen Reichtum an Wissen und Erfahrung, der den Frauen meiner Gesellschaftsschicht völlig abging. Sie war auf natürliche Weise anziehend. Mit dem ganzen prächtigen Putz des königlichen Harems angetan mußte sie tatsächlich unwiderstehlich gewesen sein.
Ich ließ sie an der Einfahrt zum Residenzsee so eben außer Sichtweite der Wachtposten unter einem Baum sitzen, wo sie die Füße ins Wasser halten konnte, beantwortete den Wer-da-Ruf und ging an der vertrauten Abfolge von eindrucksvollen Toren und Bootstreppen vorbei. Der Pylon des Sehers warf im Nachmittagssonnenschein einen Schatten, doch im Vorbeigehen erhaschte ich dahinter eine Bewegung und rief dem alten Torhüter einen Gruß zu. Er reagierte nicht. Trotz der Bangigkeit, die sich nicht abschütteln ließ, mußte ich lächeln und ging weiter.
Nesiamuns Torhüter begrüßte mich überschwänglich und versicherte mir, daß Takhuru daheim sei. Ich lief um die vielen Gartenstatuen herum und betrat das Haus. Dort schickte ich einen vorbeikommenden Diener mit der Nachricht zu ihr, daß ich in der Eingangshalle sei.
Ich hatte mich auf eine lange Warterei gefaßt gemacht, doch ich war es gewöhnt, auf Takhuru zu warten. Sie kam fast immer zu spät und entschuldigte
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