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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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habe nur eine Bitte an deine Verlobte, nämlich daß ich jeden Tag schwimmen darf und daß man mich möglichst von Gästen und Besuchern fernhält.“
    „Gut. Dann laß uns gehen.“
    Wir passierten die Posten, und sie hielt, ohne den Schritt zu verlangsamen oder sie anzusehen, das Handgelenk hoch. Sie beachteten keinen von uns richtig, und so eilten wir schon bald über den kleinen Schatten, den der Pylon des Sehers bereits warf. Thu wandte das Gesicht ab, und ich mußte schmerzlich an ihre Geschichte denken. Wie viele Male mochte sie über diese Bootstreppe geschritten sein, wunderschön angetan mit der ganzen Pracht, die der Harem und ein verliebter König zu bieten hatten? Sie sagte nichts, und auch ich schwieg.
    Es war die Zeit der Nachmittagsruhe, der Garten lag verlassen. Wir stahlen uns rasch ins Haus, durch die leere Eingangshalle und die Treppe hoch. Takhuru wartete auf uns und reagierte sofort auf mein Klopfen. Ich mußte insgeheim lächeln, denn sie hatte es in der Zeit, die ich fort war, geschafft, sich waschen und schminken zu lassen. Die Falten ihres hauchdünnen weißen Leinenkleides wurden in der zierlichen Mitte mit einem Gürtel aus ineinander verschlungenen, goldenen Ankhs zusammengehalten. Weitere, mit Mondsteinen besetzte Ankhs lagen um ihren langen Hals und baumelten in ihren Ohrläppchen. Ihre Kosmetikerin hatte ihr das Gesicht und die Schultern mit Goldpuder bestäubt. Der Gegensatz zwischen diesem Reichtum, dieser Eleganz und dem verdreckten und zerrissenen Aufzug meiner Gefährtin war erschreckend, und dennoch beherrschte die Bäuerin den Raum, in dem wir alle standen. Sie streckte die Arme
    aus und verbeugte sich tief vor Takhuru. Takhuru neigte den Kopf, und dann musterten sich die beiden Frauen schweigend. Takhuru sagte: „Wie heißt du?“ „Ich heiße Thu“, antwortete die Frau ruhig.
    „Und ich bin die Herrin Takhuru. Kamen hat mir alles über dich erzählt. Deine Notlage dauert mich, daher habe ich ihm versprochen, daß ich dir nach besten Kräften helfen werde. Mein Haushofmeister glaubt, daß du mich auf dem Markt angesprochen hast und ich dich aus Mitleid eingestellt habe. Hoffentlich beleidigt dich diese Ausrede für deine Anwesenheit hier nicht, denn ich weiß, daß du einst selbst Dienerschaft gehabt hast“, fuhr sie eilig fort, meine hochnäsige Takhuru, die jetzt eine Ängstlichkeit und Gutherzigkeit zeigte, die ich an ihr mochte, aber selten erlebte, „aber etwas Besseres ist mir nicht eingefallen. Du wirst ihm gehorchen müssen, bis Kamen und ich wissen, wie wir uns aus diesem Alptraum befreien.“ Die leichte Betonung, die sie auf einige Wörter legte, machte mir plötzlich klar, daß meine Verlobte ihren ganzen Staat nicht aus Hochnäsigkeit, sondern aus Unsicherheit angelegt hatte, nur um klarzustellen, daß sie ältere Rechte auf mich hatte. Ich war geschmeichelt und belustigt.
    „Ich bin dir sehr dankbar, Herrin Takhuru“, entgegnete die Frau höflich. „Laß dir versichern, daß ich überhaupt nicht beleidigt bin, weil ich dienen muß, auch wenn ich einst selbst bedient wurde. Ich werde mich bemühen, weder dich noch Kamen zu gefährden. Schließlich hat Kamen mir das Leben gerettet.“
    „O ja, das hat er! So völlig habe ich das Ganze noch nicht begriffen. Ich werde dich bald zu mir holen lassen, dann kannst du mir alles näher erklären. Also, wenn du in den hinteren Garten gehst, findest du die Dienstbotenquartiere. Mein Haushofmeister müßte dort sein. Sag ihm, er soll dir Essen und Bier und einen Schlafplatz und etwas zum Anziehen geben.“
    „Danke.“ Die Frau verneigte sich und verzog sich mit unauffälliger Anmut. Als sie gegangen war, wandte sich Takhuru an mich.
    „Sie ist ganz anders, als ich sie mir vorgestellt habe“, sagte sie ehrlich. „Ich hatte gedacht, sie würde, na ja, untersetzt und kräftig sein, aber wenn man über die Spuren von Armut und Vernachlässigung hinwegsieht, merkt man, daß sie darunter ein erlesenes Geschöpf ist. Nach Sprache und Benehmen ist sie nicht vom Lande.“
    „Ich liebe dich, Takhuru“, sagte ich. „Du bist nicht nur großherzig und schön, sondern ich entdecke immer wieder etwas an dir, wovon ich keine Ahnung hatte.“ Sie lächelte und errötete.
    „Ein erschreckendes Eingeständnis, da wir uns seit unserer Kindheit kennen“, gab sie zurück. „Ich meinerseits weiß nur zu gut, daß sich unter deinem langweiligen und gräßlich zuverlässigen Äußeren ein Mann verbirgt, der ohne mit der Wimper zu

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