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Die Herrin Thu

Die Herrin Thu

Titel: Die Herrin Thu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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angeht, so wurde er mir geschenkt und wieder fortgenommen. Ich bin als Bäuerin geboren. Jede Waise ohne Geschichte wie du sehnt sich wohl nach einer reichen und schönen Mutter. Es tut mir wirklich leid, Kamen, aber ich kann dir nicht helfen“, sagte sie sanft. „Ich merke, daß dich die Sache mit deinen wahren Eltern sehr beunruhigt, und würde dir so gern Frieden bringen, aber uns verbindet nichts als ein paar wenige Übereinstimmungen. Leider gibt es keine stichhaltigen Beweise, die dich zu meinem Fleisch und Blut machen würden. Ich wünschte von ganzem Herzen, es wäre anders. Ich wäre stolz, dich meinen Sohn zu nennen.“
    „Aber unmöglich wäre es nicht, ja?“ beharrte ich. „Viele Übereinstimmungen können mehr wiegen als ein Mangel an Beweisen. Angenommen, es stimmt? Angenommen, du bist tatsächlich meine Mutter, und die Götter haben aus unerfindlichen Gründen beschlossen, daß wir uns begegnen, wie wir uns begegnet sind, damit ein großes Unrecht wiedergutgemacht wird.“ Sie blickte mich forschend an, und mir erstarben die Worte auf den Lippen.
    „Das ist ein Schluß, den wir nicht ziehen dürfen, lieber Kamen“, sagte sie leise. „Falls du recht hast, werden die Götter die Wahrheit enthüllen, wann es ihnen beliebt. Bis dahin ist es um deiner geistigen Gesundheit willen besser, wenn du annimmst, daß deine Mutter tot ist.“ Die Worte des Sehers hatten fast genauso gelautet, und wie damals wehrte ich mich sofort dagegen.
    „Nein, das kann ich nicht“, sagte ich nachdrücklich. „In meinen Traumen und in meiner Vorstellung lebt und atmet sie. Ich würde Hui gern noch weiter befragen.“ Sie antwortete nicht.
    Einen Augenblick später widmete sie sich wieder der Betrachtung des Sonnenuntergangs, und ich gesellte mich zu dem Kapitän, der gerade zur Nacht anlegen wollte. Als ich über das Deck ging, fiel mir die Nachricht ein, die Takhuru mir gerade vor meinem Aufbruch geschickt hatte, doch mir war, als wäre das in einem anderen Leben geschehen. Sie hatte unter den Rollen ihres Vaters etwas Wichtiges gefunden, und daher, so sagte ich mir, darf ich weiter hoffen, wenigstens noch eine kurze Zeit.
    Als wir die Mündung des Sees von Fayum erreichten, hatte ich das Manuskript ganz gelesen. Es war zwar faszinierend und erschreckend, klang aber dennoch wahr, und als ich es in den Lederbeutel zurücklegte, war mir klar, daß ich die Frau nicht den Behörden übergeben würde. Jung und unschuldig trotz ihres Ehrgeizes, hatten gewissenlose Männer sie benutzt, um ihre Verschwörung gegen den König voranzutreiben, und sie verlassen, als der Plan fehlschlug. Man hatte sich mehr gegen sie versündigt, als daß sie gesündigt hatte, und daß der Seher - ein Mann, den sie geliebt und dem sie vertraut hatte - sie verriet, war der letzte und bitterste Schlag gewesen. Stundenlang saß ich unter dem Sonnensegel und dachte über diese Geschichte von Wollust, Verrat und Mord nach, ehe ich mich dem Problem zuwandte, was ich mit ihr anfangen sollte. Wie gern hätte ich sie einfach mit nach Hause genommen und sie dem Haushalt als meine Mutter vorgestellt. Doch es stimmte, was sie gesagt hatte, uns verband nichts weiter als eine Reihe nicht greifbarer Übereinstimmungen und meine eigene große Sehnsucht.
    Ich klopfte an die Kabinentür, und sie kam auch gleich heraus, zerzaust und schlaftrunken, gerade als der Kanal, der zum großen See von Fayum führte, an uns vorbeiglitt. Sie stand in eine Decke gehüllt und sah zu, dann ließ sie sich neben mir nieder. „Ramses hat mir ein Anwesen an dem See dort geschenkt“, sagte sie. „Ich war eine gute Nebenfrau. Er war sehr zufrieden mit mir. Nach meinem Mordversuch hat er mir alles weggenommen. Mein Land, meinen Titel, mein Kind.“ Das sagte sie ohne jegliches Gefühl. „Ich hatte den Tod verdient, weil ich ihn ermorden wollte, aber er hat sich erweichen lassen und mich statt dessen verbannt. Die, die mich benutzt haben, um sich eines Pharaos zu entledigen, den sie verachteten, sind frei ausgegangen. Paiis, Hui, Hunro, Banemus, Paibekamun.“
    „Ich weiß“, sagte ich. „Ich habe alles gelesen.“
    „Und du glaubst mir?“ Das war die Frage, die sie wieder und wieder und in dringlichem Ton stellte, und damit verriet sie ihre eigene Wehrlosigkeit. Ich umfaßte die Knie mit den Händen und blickte zu den sich blähenden, weißen, dreieckigen Segeln hoch, die vor dem Blau des Himmels flatterten.
    „Falls General Paiis nicht den Mörder gedungen hätte, würde ich

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