Die Herrin von Avalon
den Helden Wein, Met und Heidebier und bereitete ihnen ein Fest.
Für den Navarchen stapelten sie Treibholz aufeinander und legten Mäntel darauf, die sie toten Feinden abgenommen hatten. Als er dort Platz nahm, saß er wie auf einem Thron. Carausius sagte sich, er müsse Befehle geben und die nächsten Schritte planen, aber der Blutverlust und der Wein, den sie im Flaggschiff des Gegners entdeckt hatten, machten ihn benommen. Außerdem war er zu glücklich. Es war ein schöner Abend. Er hatte die besten und tapfersten Männer in die Schlacht geführt, und sie hatten den übermächtigen Gegner geschlagen. Er strahlte, und seine Leute machten ihrer Freude mit lautem Jubel Luft, der immer lauter wurde, als die Weinkrüge herumgereicht wurden.
»Sie werden uns jetzt nicht mehr als Hinterwäldler abtun!« rief einer der Ruderer.
»Britonische Schiffe sind die besten!«
»Die Männer darauf sind noch besser!«
»Wir werden uns keine Befehle mehr von dummen Römern geben lassen!« riefen andere im Chor.
»Der Kanal gehört Britannien, und wir verteidigen ihn!«
»Carausius verteidigt ihn!«
»Carausius soll herrschen!« rief Menecrates und hob das Schwert.
»Carausius, der Herrscher ... « Mann um Mann der Flotte nahm den Ruf auf.
Carausius fühlte sich überwältigt von der Begeisterung und dem Jubel. Dierna hatte ihn gedrängt, eine Entscheidung zu treffen. Doch der Woge dieser Begeisterung konnte er sich so wenig widersetzen wie der Macht der Flut.
Als sie ihn schließlich auf den Schild hoben, ließ er es geschehen. Er nahm die Würde und die Aufgabe an, denn sie schenkten ihm ihre Liebe und das Land.
14. Kapitel
Wenn sich die Wolken über den Hügeln ballten und der Nebel von den Hängen herunter über die Moore trieb, wenn die silbrig grauen Schwaden den Wall - die hohe Grenzmauer - einhüllten, dann konnte Teleri manchmal glauben, sie sei in Avalon. Und es überraschte sie jedesmal von neuem, daß dieser Gedanke ihr so großen Schmerz bereitete.
»Dies hier ist nicht das Sommerland«, sagte sie zu sich selbst, während sie auf dem Pferd über die Straße ritt. »Es ist das Marschland der Briganten. Und ich bin keine Priesterin von Avalon, sondern die Kaiserin von Britannien.«
Der Reiter vor ihr zügelte sein Pferd und sah sich fragend um, als habe er ihr Seufzen gehört. Teleri zwang sich zu einem Lächeln. In den zwei Jahren, seit Carausius zum Herrscher ausgerufen worden war, hatte sich ihre Freundschaft mit Allectus vertieft. Er besaß nicht die Kraft für lange Märsche, und er war kein Seemann, aber am Schreibpult vollbrachte er wahre Wunder. Ein Kaiser brauchte solche Männer noch mehr als ein Navarch, um an der Macht zu bleiben.
Manchmal staunte Teleri, daß Carausius seine Stellung so lange halten konnte. Als er die Ernennung durch seine Truppen annahm und sich zum Imperator von Britannien ausrief, hatte sie damit gerechnet, daß Rom mit Feuer und Schwert über die Provinz herfallen werde, noch ehe das Jahr zu Ende ging. Doch offenbar konnte sich der Herrscher von Britannien mit größerer Dreistigkeit gegen Rom erheben als die Feldherren der anderen Provinzen, zumindest so lange, wie er das Meer beherrschte und in der Gunst Avalons stand. Aber auch Carausius schien überrascht, als Maximian schließlich auf die neue Lage mit einem offiziellen Schreiben reagierte und ihn in aller Form als Mitregent anerkannte.
Es gab zweifellos gute Gründe für das Einlenken der Römer. Maximian hatte noch immer Mühe, die Sippen der Franken daran zu hindern, Gallien zu überrennen, und er mußte die Alemannen am Rhein befrieden. Diocletian kämpfte gegen die Sarmaten und Goten an der Donau. Gerüchte wollten auch von Unruhen in Syrien wissen. Die römischen Regenten hatten nicht die Truppen, um eine weitere Front riskieren zu können. Solange Britannien nicht das übrige Reich bedrohte, glaubten die Römer, es sei das einfachste, die Provinz sich selbst zu überlassen. Damit mußten die Britonen aber auch alle Verteidigungslasten selbst tragen. Carausius seinerseits stellte fest, daß viel mehr dazugehörte, über Britannien zu herrschen, als die Küste gegen die Sachsen zu verteidigen.
Teleri warf einen beunruhigten Blick auf die graue Mauer vor den Bergen. Jenseits dieser Grenze lebten die Pikten in ungestörter Freiheit. Und obwohl sie ebenso Kelten waren wie die Briganten auf dieser Seite des Walls, jagten die wilden Stämme von Alba ihren romanisierten Verwandten ebenso große Angst ein wie die
Weitere Kostenlose Bücher