Die Herrin von Avalon
dann ruhiger weiter, als die Ruderer ihren Rhythmus fanden. Hinter ihnen folgten die großen Triremen in einer Reihe, damit der Feind ihre Zahl nicht auf den ersten Blick erkennen konnte. Die leichteren Schiffe flankierten den Zug. Carausius sah zufrieden, daß sie in geordneter Formation fuhren, wie er es von seinen erfahrenen Seeleuten gewohnt war. Er legte die Hand über die Augen und blickte nach vorn.
Zeigt euch, ihr schlauen Römer. Ihr könnt unsere Stärke nicht erkennen! Immer zu! Redet euch ein, wir wären leicht zu schlagen! Zeigt euch endlich!
Der Feind schien seine Worte zu hören. Am Horizont tauchten die ersten Segel von Maximians Flotte auf. Es dauerte nicht lange, und der Navarch beobachtete, wie das schwere Leinen auf den Schiffen der Feinde hastig eingeholt wurde. Das Kielwasser schäumte, als die Ruderer übernahmen. Die Keilformation, in der sie fuhren, verdichtete sich, aber die Flotte wurde nicht langsamer. Maximian war zum Kampf entschlossen. Carausius gab dem Trompeter das Zeichen.
Menecrates rief einen Befehl. Der Steuermann der Orion lehnte sich gegen das Ruder, und das Deck neigte sich, als das Schiff langsam nach Steuerbord drehte. Die Linie der Masten hinter ihm schwankte, ein Schiff nach dem anderen folgte dem Manöver und drehte ebenfalls ab. Die Ruderer der Orion behielten ihren ruhigen Rhythmus bei, aber die Schiffe hinter ihnen wurden schneller. Die leichteren Schiffe auf beiden Flanken schossen durch das Wasser und schwärmten aus.
»Orion!« flüsterte Carausius. »Das ist deine Meute. Ihr Götter, helft uns bei dieser Jagd!«
Carausius wußte, seine Stärke lag in den Fähigkeiten der Seeleute; Maximian setzte auf seine Legionäre. Die Römer würden versuchen, die feindlichen Schiffe auf traditionelle Weise zu entern und zu erobern. Das Ziel der britonischen Flotte dagegen war es, so schnell und so viele wie möglich der gegnerischen Schiffe zu rammen, zu versenken oder manövrierunfähig zu machen, bevor die Enterhaken eingesetzt werden konnten.
Die beiden Flotten näherten sich einander. Carausius griff zu Schild und Helm. Die Speerwerfer nahmen Aufstellung auf den Vordecks und im Heck. Die Steinschleuderer bereiteten ihre Wurfschlingen vor. Carausius konnte bereits die blitzenden Waffen an Deck der ersten Trireme erkennen. Er warf noch einen letzten Blick auf seine Flotte. Als Navarch war es seine Aufgabe, den Schlachtplan zu entwerfen, aber das Kommando über die einzelnen Schiffe lag in der Hand der Triarchen, und sie mußten in ständig wechselnden Situationen entscheiden, wie sie die erhaltenen Befehle am besten umsetzten.
Die Würfel sind gefallen , dachte Carausius mit seltsamer Erleichterung. Jetzt bin ich nicht wichtiger als jeder andere an Bord .
Die Orion änderte den Kurs auf einen Befehl von Menecrates hin, denn sie hatten sich ein kleineres Schiff als erstes Ziel gewählt. Als der Feind die Gefahr erkannte, drehte das Schiff ab. Die Orion konnte es nicht mehr am Bug rammen, aber der britonische Dreimaster war in voller Fahrt. Ein Zusammenstoß war unvermeidbar. Die Ruder an Backbord wurden eingezogen, als die beiden Schiffe aufeinanderprallten. Der neue Rammbock der Orion schnitt durch die schwankenden Ruder des Feindes und schlug das Holz der Bordwand ein. Das Schiff sank nicht, doch es war zumindest im Augenblick außer Gefecht gesetzt. Ein Speer traf das Deck und glitt über das Holz. Die Ruderer der Orion setzten das Schiff wieder in Bewegung. Es war schnell außer Reichweite des Gegners und steuerte das nächste Ziel an. Trompetenstöße und Geschrei auf beiden Seiten verrieten Carausius, daß die Schwadrone seiner Flanken die Keilformation der Römer bereits von rückwärts in die Zange nahmen. Dort konnten auch die leichteren Schiffe großen Schaden anrichten, indem sie den Feind von achtern rammten.
Das nächste Opfer versuchte, in falscher Einschätzung der Lage, die Hercules anzugreifen und bemerkte die Bedrohung durch die Orion zu spät. Carausius sprang hinunter auf den Steg zwischen den Ruderbänken und klammerte sich an eine der Verstrebungen, bevor sie den Feind rammten. Holz splitterte, Speere zischten durch die Luft, das Deck hob sich und fiel im nächsten Augenblick krachend in die Tiefe. Die Besatzung manövrierte die Orion geschickt wieder außer Reichweite der Römer. Ein Seemann stürzte mit einem Speer in der Brust über Bord. Die anderen ließen sich jedoch nicht beirren, denn sie wußten, das Meer würde ihn schon bald
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