Die Herrin von Avalon
rächen.
Zum dritten Mal rammte die Orion ein Schiff des Gegners. Geschrei und Waffengeklirr verrieten Carausius, daß sie geentert worden waren. Es wurde an Deck gekämpft. Aber die Orion gewann an Fahrt und löste sich vom Feind. Die Masten schwankten auf den Wellen wie Bäume in einem Sturm. An der Küste sah er die gezackte Silhouette der Klippen. Sie näherten sich dem Land.
Wurfsteine zischten an seinem Kopf vorbei. Der Proreta fiel auf die Knie. Einer der Seeleute riß ihn wieder hoch. Der Mann blutete an der Stirn, aber er lebte, wie sein lauter Fluch deutlich genug bewies. Das Schiff, von dem die Steine stammten, drehte bei, allerdings zu langsam. Ein knapper Befehl von Menecrates, und die Orion nahm Kurs auf die ungeschützte Seite des Gegners.
Beim Zusammenprall flogen die Ruder wie Feuerholz durch die Luft. Ein Splitter bohrte sich einem der Männer wie ein Pfeil in den Hals, und er sank blutüberströmt vornüber. Der Bug der Orion neigte sich unter dem Gewicht des feindlichen Schiffs. Enterhaken und Leinen flogen sausend durch die Luft, doch es gelang den Seeleuten, sie beiseite zu schlagen, bevor sie sich ins Holz bohren konnten. Carausius glaubte, die beiden Schiffe hätten sich ineinander verkeilt, aber dann gelang es der Orion , sich aus der Umklammerung zu lösen.
Die Küste kam näher und näher. Carausius warf einen Blick auf die Sonne und wußte, daß die Nachmittagsflut die Schiffe in Richtung Land trieb. Er packte den Trompeter am Arm und rief ihm einen Befehl ins Ohr.
Im nächsten Augenblick ertönte das Zeichen zum Rückzug. Die Orion drehte ab. Die Römer jubelten laut. Aber sie kannten die Küste nicht und dachten nicht an die Flut.
Als sich die britonischen Schiffe zurückzogen, wollten die Römer sie verfolgen. Aber sie waren schwerfälliger und kamen nur langsam voran. Sie verhöhnten die Britonen, die sich neu formierten, während die Römer nichtsahnend mit der steigenden Flut auf die gefährliche britonische Küste zutrieben. Bis die Kapitäne die Gefahr erkannten, war es bereits zu spät. Sie konnten nur noch zu verhindern versuchen, daß sie an den Klippen zerschellten. Einige sahen, daß sie das offene Meer nicht mehr erreichen würden, und steuerten eine kleine Bucht an. Die anderen entfernten sich mit peitschenden Rudern langsam von der Küste.
Carausius wartete und berechnete Zeiten und Entfernungen, während die Orion den Feind verfolgte und sich darauf vorbereitete, ihm den Fluchtweg abzuschneiden. Hinter den Klippen wich das Ufer zurück und bildete eine flache Bucht. Der Navarch nickte, und der Trompeter gab das nächste Zeichen.
Der Ruf hallte über die Wellen, und die Meute fiel erneut über den Feind her. Carausius deutete auf das größte Schiff der Römer. Die Orion drehte nach steuerbord. Die Ruder hieben noch schneller als zuvor auf das Wasser ein, in einem so furiosen Rhythmus, der nur über wenige Schiffslängen hinweg gehalten werden kann.
Carausius konnte inzwischen einzelne Gesichter erkennen. Ein Centurio, mit dem er zusammen am Rhein gedient hatte, hob grüßend das Schwert. Das feindliche Schiff wollte abdrehen, aber die Römer mußten gegen die Flut rudern, die Orion dagegen kam mit der Strömung. Dann war es soweit. Sie rammten den Gegner mit unvorstellbarer Wucht. Beide Schiffe wurden von dem Aufprall in die Luft gehoben. Männer fielen über Bord. Carausius sank auf die Knie, aber er kam schnell wieder hoch. Von allen Seiten sprangen Bewaffnete über die Reling. Die Orion hatte das feindliche Schiff bis zur Mitte aufgerissen. Diesmal bestand keine Notwendigkeit für Enterhaken und keine Hoffnung, durch eigene Kraft wieder freizukommen. Die beiden Schiffe waren fest ineinander verkeilt. Die Ruderer verließen die Bänke und griffen nach den Waffen.
Der Navarch sah in unmittelbarer Nähe ein Schwert aufblitzen. Instinktiv riß er den Schild hoch und wehrte den Hieb ab. Der Nahkampf hatte begonnen. Von jetzt an hatte er nur noch den Gedanken, sich zu verteidigen.
Ihre Gegner waren Legionäre, die zahllose ähnlicher Schlachten hinter sich hatten. Sie erholten sich schnell nach dem Zusammenprall der Schiffe, formierten sich zum Kampf und bahnten sich mit tödlicher Geschwindigkeit einen Weg über das Vordeck der Orion . Carausius wehrte die Hiebe mit dem Schild ab und kämpfte ebenso kaltblütig und geschickt wie die Legionäre. Ein Schwert streifte seinen Helm, und er stürzte rücklings zu Boden. Im nächsten Augenblick fielen ein Ruderer und ein
Weitere Kostenlose Bücher