Die Herrin von Avalon
Menapier, alles Nötige übersetzen. Der Herrscher vertraute jedoch nicht nur auf Worte. Deshalb hatte er sich nach germanischer Art gekleidet. Er trug eine lange dünne Wollhose, die an den Knöcheln gebunden war, eine blaue Leinentunika mit griechischem Brokatbesatz, goldene Armreifen und einen goldenen Torque. An einem Gürtel mit glitzernden goldenen Medaillons hing ein viel benutztes römisches Schwert, um seine Gäste daran zu erinnern, daß auch er ein Krieger war. Außerdem hatte er mit Bedacht einen weiten Purpurmantel gewählt, den eine kostbare goldene Spange zusammenhielt. Die Barbaren sollten zur Kenntnis nehmen, daß er ein Kaiser war.
Hier, so verkündete seine Kleidung, stand ein Herrscher von Rang und Macht, kein durchtriebener Römer, der seine Ehre für Gold verkaufen würde, sondern ein Großkönig, mit dem ein freier Krieger ein ehrenhaftes Bündnis schließen konnte. Während seine Gäste auf ihn zukamen, dachte er jedoch nicht an den Symbolwert seiner königlichen Erscheinung, sondern er freute sich über die bequeme Kleidung. Das Fest und die Verhandlungen würden viel Zeit in Anspruch nehmen. Er mußte sich nicht nur als trinkfest erweisen, sondern auch bei allen Wortgefechten der eindeutige Sieger bleiben. Carausius war zu diesem Wettkampf entschlossen, aber er wollte sich wenigstens wohl in seiner Haut fühlen.
In der Basilica stand eine lange Tafel für das Gastmahl. Carausius nahm am Kopfende Platz. Die germanischen Anführer nahmen zu beiden Seiten Platz. Ihre Männer saßen auf den Bänken weiter unten. Die Sklaven versorgten sie reichlich mit gallischem Wein.
In den Augen der Britonen waren alle Piraten Sachsen, aber in Wirklichkeit kamen sie von unterschiedlichen Stämmen. Der große Mann zur Rechten des Königs war Hlodovic, ein salischer Franke von der Art, wie sie Maximian immer noch schwer zu schaffen machten. Der kräftige, aber kleinere Mann mit grauem Bart neben ihm gehörte zu den letzten Herulern, die noch im Norden lebten. Er hatte mit seinen Kriegern dem Angeln Wulfher Gefolgschaft gelobt. Ihm gegenüber saß ein mürrischer Friese. Er hieß Radbod.
»Dein Wein ist gut!« lobte Wulfher und leerte den Becher. Ein Sklave eilte herbei, um ihn wieder zu füllen.
»Ich trinke auf dein Wohl«, erwiderte Carausius und hob den eigenen Becher. Er war so klug gewesen, dafür zu sorgen, daß sein Becher zur Hälfte mit Wachs ausgegossen war. Bei der Marine hatte Carausius zwar das Trinken gelernt, aber die Trinkfestigkeit der Germanen war legendär, und er wußte, wenn er von ihnen anerkannt werden wollte, mußte er mithalten können.
»Wir trinken deinen Wein gern, aber auch wir haben volle Amphoren zu Hause«, warf Hlodovic ein.
»Sie sind mit Blut bezahlt«, erklärte Carausius. »Ich finde es besser, solchen Wein als Geschenk zu erhalten. Euer Blut sollte für edlere Zwecke vergossen werden.«
Hlodovic lachte. »Stammt dein Wein nicht aus Gallien? Haben deine Vorräte nicht abgenommen, seit du kein Freund Maximians mehr bist?«
»In den letzten Jahren haben deine Vettern ihn in Belgica nicht zur Ruhe kommen lassen!« Auch Carausius lachte. »Er hat weder die Schiffe noch die Krieger, um den Handel mit Britannien zu behindern.«
»Ja, der Wein ist gut«, sagte auch Radbod. »Aber Gold ist besser.«
»Ich habe Gold ... für meine Freunde, außerdem Silber aus den Minen von Mendip.«
Carausius gab ein Zeichen. Die Sklaven brachten Körbe mit Brot und auf großen Platten Eier und Käse, Austern und gesalzenen Fisch, gefolgt von Wildbret und dem Fleisch eines Ochsen, der am Spieß gebraten worden war.
»Welche Geschenke erwartest du als Gegengabe von deinen ›Freunden‹?« fragte Hlodovic und schnitt sich eine dicke Scheibe Bratenfleisch ab. Die Männer aßen in der Manier der Barbaren, aber die Anführer schätzten es, wie die Römer von Silbertellern zu essen und den Wein aus Glaspokalen zu trinken.
»Eure jungen Leute sollen sich an anderen Küsten im Kampf bewähren und den Siegeslorbeer erringen. Der Lohn wird sogar noch größer sein, wenn ihr gegen jene zieht, die uns vom Meer her überfallen wollen.«
»Herr, du bist ein ehrenwerter Kämpfer. Warum solltest du eine solche Herausforderung nicht selbst annehmen?« fragte Wulfher und sah ihn herausfordernd an.
»Richtig, ich würde lieber auf dem Meer kämpfen. Aber jetzt bin ich Kaiser und muß viel Zeit im Norden verbringen, um dort gegen die Stämme der Bemalten zu kämpfen.«
»Du willst Wölfe rufen, um
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