Die Herrin von Avalon
sank er auf den Boden und wälzte sich zuckend im Gras. Das Feuer schwebte über ihm, als er unter lautem Gebrüll wie ein Rasender um sich schlug. Die Flammen kannten kein Erbarmen und legten sich auf ihn, so wie er sich auf das Mädchen geworfen hatte. Das Fell seiner Weste begann zu brennen, seine Haare loderten. Er schrie um Hilfe, aber niemand hörte ihn, denn die Piraten waren in Panik davongerannt.
Er sprang auf, aber vor dem Feuer gab es kein Entkommen. Als er fliehen wollte, stand er bereits in Flammen. Erst als er zuckend zusammenbrach und sterbend verstummte, verzischte das Feuer in einem Funkenregen und war im nächsten Augenblick verschwunden.
»Dierna ... «
Mit einem Seufzen kehrte die Hohepriesterin in ihren Körper zurück. Sie spürte, wie das Blut in den Händen stechend und prickelnd wieder zu kreisen begann, und biß sich vor Schmerzen auf die Lippe. Lewal löste die Fesseln an ihren Fußgelenken und rieb ihr die Knöchel. Auch dort spürte sie das Prickeln wie feine Nadelstiche.
»Dierna ... sieh mich an!«
Ein blasses Gesicht mit dunklen Haaren tauchte verschwommen vor ihr auf.
»Becca, du lebst ... «, flüsterte Dierna und blinzelte verwundert, denn eine erwachsene Frau beugte sich über sie. Ihre Tunika war an den Schultern zerrissen, und in ihren Augen stand noch der Schock des Erlebten. Tränen liefen ihr über die Wangen.
»Ich bin es, Teleri ... Herrin, erkennst du mich nicht?«
Diernas Blick richtete sich auf das Feuer und auf die verkohlte Leiche dahinter und dann wieder auf Teleri.
»Ja, ich erinnere mich. Ich dachte, du seist meine Schwester ... «
Ein Schauer überlief sie, denn das Bild von dem dunklen Wasser drängte sich ihr auf.
Dierna war ins Wasser gesprungen. Zuerst spürte sie den Stoff des Kleidchens, und dann fand sie den Arm ihrer kleinen Schwester. Sie zog immer wieder, aber Becca bewegte sich nicht. Ihr Kopf tauchte unter Wasser, sie rang prustend nach Luft und hielt sich mit der anderen Hand an einem Ast fest. Es gelang ihr unter Aufbietung aller ihrer Kräfte, das Ufer zu erreichen, ohne Becca loszulassen ...
»Sie war im Sumpf ins Wasser gefallen. Ich habe sie schreien gehört, aber als ich zu ihr kam, lag sie leblos im Wasser, und ich war nicht stark genug, sie herauszuziehen ... « Dierna schloß zitternd die Augen. Sie wußte damals, daß es keine Hoffnung mehr für Becca gab, aber sie hatte nicht losgelassen und sich mit der anderen Hand an den Ast geklammert. So hatte sie der Suchtrupp bei Einbruch der Dunkelheit schließlich entdeckt.
»Herrin, bitte ... weine nicht!« Teleri beugte sich schluchzend über sie. »Du hast mich gerettet ... Diesmal bist du nicht zu spät gekommen!«
» ... Dann bist du jetzt meine Schwester.« Dierna sah sie an, und es gelang ihr zu lächeln. Sie breitete die Arme aus, und Teleri sank an ihre Brust. Alles schien mit einem Mal richtig zu sein.
Ich werde sie beschützen , dachte Dierna. Ich werde sie nicht mehr verlieren!
»Herrin, kannst du reiten? Wir müssen weiter, bevor die Männer zurückkommen!« sagte Lewal. »Ich habe etwas zu essen und auch gefüllte Wasserschläuche gefunden. Ich werde drei Pferde satteln und die anderen loslassen.«
»Männer ... « wiederholte Teleri, und ein Schauer überlief sie. »Es sind Bestien!«
Dierna stützte sich auf Teleri und faßte sich an den schmerzenden Kopf. »Nein, mein Kind«, erwiderte sie mit belegter Stimme, »Tiere sind nicht so grausam. Diese Art Brutalität ist nur unter Menschen möglich.«
Der Kopf schien ihr zu zerspringen, aber sie besaß die seit langem erworbene Fähigkeit, die Zeichen des Körpers nicht zu beachten. »Hilf mir aufs Pferd. Ich kann schon wieder reiten ... « flüsterte sie entschlossen. »Aber was ist mit dir, Teleri? Was hat er dir angetan?«
Teleri warf einen schaudernden Blick auf das verkohlte Wesen, das einmal ein Mann gewesen war, und schluckte. »Er hat mir sehr weh getan«, flüsterte sie, »aber ich bin noch Jungfrau ... «
Dein Körper ist unberührt , dachte Dierna. Doch dieser Barbar hat dir die Seele befleckt .
Sie stützte sich auf Teleris Schulter, richtete sich auf und hob die Hand.
»Er wird keine Frau mehr vergewaltigen. Aber er ist nur einer von vielen. Möge die Göttin sie alle strafen! Ich verfluche sie bei Feuer und Wasser! Bei den Winden des Himmels und bei der heiligen Erde, auf der wir stehen. Das Meer soll sie verschlingen, und kein Hafen möge ihnen Schutz gewähren. Sie leben durch das Schwert, und
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