Die Herrin von Avalon
lag.
»Wir sind euch dafür dankbar«, erwiderte Ambrosius ruhig von der gegenüberliegenden Seite des Kreises.
»Bist du wirklich ›dankbar‹?« fragte Vortimer, der junge Prinz. »So etwas sagt sich leicht. Ich aber verstehe unter Dankbarkeit etwas anderes. Worte werden die Sachsen nicht aufhalten.«
Der Prinz war nicht mehr der gutgläubige junge Mann, der sich der Göttin geweiht hatte, sondern ein von Erfahrungen gezeichneter Krieger. Die scharf geschnittenen Züge waren jedoch geblieben und auch der stolze Falkenblick seiner grünen Augen.
Ein Held , dachte Viviane, die ihn von ihrem Platz an der Seite ihrer Mutter beobachtete. Er muß jetzt das Land verteidigen .
Jeder wußte, daß die Priesterinnen das Zusammentreffen herbeigeführt hatten, auch wenn keine Seite es klug fand, das öffentlich einzugestehen. Die Gruppe aus Avalon saß im Schatten einer Dornenhecke, wo man alles sehen und hören konnte.
»Kann überhaupt etwas sie aufhalten?« fragte einer der älteren Männer. »Ganz gleich, wie viele wir töten, Germanien scheint immer neue Feinde hervorzubringen.«
»Das mag sein, aber wenn wir stark sind, dann müssen sie vorsichtig werden. Sie wollen nicht sterben, sie suchen leichte Beute, und die können sie woanders finden. Sollen sie in Gallien einfallen, wie die Franken es getan haben. Ich bin der Ansicht, sie können aus Britannien vertrieben werden! Noch ein erfolgreicher Feldzug, und wir werden es schaffen. Wenn das gelungen ist, müssen wir darüber nachdenken, wie wir sie für immer aus ganz Britannien fernhalten.«
»Dem stimme ich zu!« sagte Ambrosius. Er hatte aufmerksam zugehört, als vermute er in Vortimers Worten eine tiefere Bedeutung.
Vortigern lachte unbeeindruckt. Es hieß, er sei nur auf Drängen seines Sohnes gekommen und habe wenig Hoffnung, daß mit diesem Treffen überhaupt etwas erreicht werden könnte.
»Du weißt so gut wie ich, was notwendig wäre«, sagte der Großkönig zu Ambrosius. »Ich habe aus diesem Grund viele Jahre gegen deinen Vater gekämpft. Reden wir doch offen miteinander. Es muß einen Herrscher geben, dem ganz Britannien folgt, dabei kommt es nicht darauf an, ob er ein ›Kaiser‹ oder ein ›König‹ ist. Rom hat diesen Grundsatz stets beherzigt und jahrhundertelang die Barbaren erfolgreich bekämpft und in ihre Grenzen verwiesen.«
»Du willst, daß wir dir folgen?!« rief einer der Männer des Ambrosius. »Du willst, daß wir die Schafe dem Mann übergeben, der die Wölfe gerufen hat?«
Vortigern erhob sich aufgebracht. Bei diesem Anblick verstand Viviane, warum es dem alten Mann so viele Jahre gelungen war, sich an der Macht zu halten. Er besaß nicht nur die Kraft, sondern auch die Ausstrahlung eines Herrschers.
»Ich habe Wölfe eingesetzt, um gegen Wölfe zu kämpfen, so wie die Römer es getan haben, um das Reich zu schützen!« Er machte eine Pause und sah sich mit blitzenden Augen im Kreis um. »Vergeßt das eine nicht. Bevor ich mich mit Hengist auf ein Bündnis einließ, habe ich alle streitbaren Männer im Land angefleht, zu ihrer eigenen Verteidigung zum Schwert zu greifen. Ich habe rechtzeitig auf die Folgen hingewiesen und um Beistand geworben, so wie ich euch jetzt darum bitte, alle Kräfte zur Vernichtung der Feinde zu vereinen!«
»Wir konnten Hengist nicht bezahlen, und er hat sich gerächt«, erklärte Vortimer etwas ruhiger. »Seitdem haben wir das wenige, das seine Horden übrigließen, zum Kampf gegen ihn verwendet.« Er sah Ambrosius herausfordernd an. »Was hast du getan, außer in deinen friedlichen Hügeln zu sitzen? Wir brauchen Männer, und wir brauchen die Mittel, sie zu versorgen. Ich will offen reden. Das gilt nicht nur für diesen Feldzug, sondern für jeden weiteren, in dem wir den hohen Preis bezahlen müssen, um das zu schützen, was wir zurückgewinnen wollen.«
»Unser Land ist verwüstet, aber ein paar Jahre Frieden können die Wunden heilen.« Vortigern ergriff wieder das Wort. »Dann wird unsere vereinte Stärke für einen Durchbruch reichen. Wir werden die Marschen und Wälder besetzen, hinter denen die Angeln Zuflucht finden. Und uns das Land der Icener zurückholen.«
Ambrosius schwieg noch immer. Sein Blick richtete sich auf Vortimer. So wie die Dinge lagen, konnte er damit rechnen, den alten Mann zu überleben. Der junge Vortimer würde sein zukünftiger Rivale oder sein Verbündeter sein.
»Du hast mit deiner Tapferkeit und mit deinen Siegen die Achtung aller Männer gewonnen«, sagte er
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