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Die Herrin von Avalon

Die Herrin von Avalon

Titel: Die Herrin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Vitrin gegründet hat, einer der Nachkommen dieser Eingeweihten war. Mit Bestimmtheit war er ein Meister des alten Wissens, denn er kannte die Grundsätze von Proportionen und Zahlen.« Sie nickte, und er sah sie forschend an. »Es gibt noch einen Grund dafür, daß du hier die Energie von Avalon spürst.« Er wies über die Ebene nach Westen. »Eine der Kraftlinien führt durch das Land direkt zur heiligen Quelle.«
    Viviane staunte. Sie drehte sich um und betrachtete noch einmal die Landschaft. Im Osten wiesen eine Reihe aufgeschütteter Erdhügel auf die Begräbnisstätten alter Könige hin. Abgesehen davon gab es wenig Anzeichen von Menschen. Das endlose Grasland wurde nur von wenigen Gruppen windzerzauster Bäume unterbrochen. Es war ein einsamer Platz. Obwohl sich wahrscheinlich viele Menschen überall in Britannien gerade darauf vorbereiteten, fröhlich Beltane zu feiern, herrschte hier eine fest gefügte Erhabenheit, die der Unschuld des Frühlings stets verschlossen bleiben würde.
    Keiner von uns wird diesen Platz unverändert verlassen ...
    Wieder lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken.
    Die Sonne ging unter, und die Schatten der Steine legten sich strahlenförmig wie lange schwarze Gitterstangen auf das Gras. Viviane zog sich als Fremde respektvoll aus diesem Bereich zurück. So kam sie zu der vereinzelten Säule, die im Nordosten den Zugang zum Ring bewachte. Taliesin war über den Graben zu einem Stein gegangen, der dicht dahinter auf der Erde lag, und kniete dort nieder. Sie hatten ein rosiges Ferkel mitgebracht, das sich mit zusammengebundenen Beinen in seinen Händen wand. Viviane sah zu, wie er das Messer zog und genau unter dem Unterkiefer zustach. Das Ferkel zuckte mit schrillem Quieken zusammen und verstummte. Der Barde hielt es fest. Seine Lippen bewegten sich im Gebet, während das rote Blut auf den Stein mit seinen Vertiefungen und Löchern spritzte.
    »Wir werden es zuerst mit einem Ritual der Druiden versuchen«, sagte Ana leise zu Vortimer. »Taliesin gibt seinen Geistern und den Geistern des Landes die Nahrung des Lebens.«
    Nachdem das Tier ausgeblutet und sein Geist entflohen war, zog Taliesin einen Streifen Haut zurück und schnitt ein kleines Stück Fleisch ab. Dann stand er auf.
    Sein Blick hatte sich in weite Fernen gerichtet. Das Licht der untergehenden Sonne färbte das Fleisch in seiner Hand noch röter.
    »Kommt«, sagte Ana leise, als Taliesin wie im Traum auf den Ring der Steine zuging. Viviane zuckte zusammen, als sie den Graben überquerte und an der Stelle vorbeiging, an der das Ferkel geopfert worden war. Sie hatte dabei das Gefühl, wenn auch weniger stark, wie beim Durchqueren der Nebel bei ihrer Einweihung.
    Dicht vor dem Ring blieb der Barde stehen. Er kaute, aber nach wenigen Augenblicken nahm er das Stückchen Fleisch aus dem Mund, legte es vor einen Stein und murmelte dabei unverständliche Worte.
    »Herr, wir sind zum Ort der Macht gekommen«, sagte Ana zu Vortimer. »Du mußt noch einmal erklären, weshalb du uns hierher geführt hast.«
    Der Prinz überlegte, dann erwiderte er mit fester Stimme: »Herrin, ich möchte wissen, wer über Britannien herrschen wird, und wer seine Krieger zum Sieg führt.«
    »Druide, du hast die Frage gehört. Kannst du eine Antwort darauf geben?«
    Taliesins Gesicht war ihnen zugewandt. Seine Augen starrten ins Leere. Langsam, als befinde er sich unter Wasser, ging er durch das Steintor und betrat den Kreis. Die Sonne streifte beinahe den Horizont. Die schwarzen Steine flammten an den Rändern rot auf. Viviane folgte ihm zögernd. Sie erlebte noch einmal einen Augenblick der Verwirrung. Sie kämpfte nicht dagegen an, sondern ließ vertrauensvoll alles mit sich geschehen. Taliesin war ihr Vater und Ana ihre Mutter. Sie war das Kind und überließ sich der Führung ihrer Eltern. Ihr Bewußtsein akzeptierte die Entscheidung, und es dauerte nicht lange, da fühlte sie sich von den Kräften umfangen. Lichtfunken tanzten in der Luft. Die bedrückende Schwere schien gebannt zu sein. Der Druide hielt seine geöffneten Hände dem ersterbenden Sonnenlicht entgegen. Dann drehte er sie feierlich zu sich und murmelte eine Beschwörung in die Handflächen.
    Er seufzte laut und lange, lehnte sich an den Stein in der Mitte, ging in die Hocke und verbarg das Gesicht in den Händen.
    »Was geschieht jetzt?« fragte Vortimer.
    »Wir warten«, erwiderte die Hohepriesterin. »Das ist die traumlose Trance, aus der das Orakel zu uns sprechen

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