Die Herrin von Rosecliffe
Konfrontation zwischen Rhys und den Brüdern Fitz Hugh um jeden Preis vermieden werden musste. Rhys hasste die beiden Männer, die seinen Vater getötet hatten, und ihr Kind könnte - was noch schlimmer wäre - den eigenen Großvater und Großonkel hassen, sollte es jemals erfahren, dass sie seinen
Vater auf dem Gewissen hatten. Und ihr selbst war die Vorstellung, dass Rhys im Kampf fallen oder hingerichtet werden könnte, einfach unerträglich. Doch genauso wenig könnte sie. es Rhys jemals verzeihen, sollte er ihren Vater und Onkel töten. O Gott, es schien eine völlig ausweglose Situation zu sein!
Unwillkürlich schaute Isolde zu Rhys hinüber und stellte fest, dass er sie beobachtete. Ihre Blicke trafen sich - und sie war sofort hypnotisiert! Aus unerfindlichen Gründen war Rhys ap Owain der richtige Mann für sie. Gegen ihren Willen hatte er ihr Herz im Sturm erobert. Ob sie es nun aussprach oder nicht - es änderte nichts an der Tatsache, dass sie ihn liebte und immer lieben würde. Aber empfand er irgendetwas für sie oder hatte er sie nur benutzt?
Dieses Abendessen wurde eine einzige Qual. Isolde wollte in Rhys' Nähe sein - und konnte diese Nähe doch kaum ertragen. Sie musste offen und ehrlich mit ihm sprechen - und hatte doch schreckliche Angst vor einer solchen Aussprache. Bald würden sie allein sein - dann musste sie ihn zur Rede stellen. Sie brauchten Klarheit über ihre wechselseitigen Gefühle.
Rhys spürte Isoldes Anspannung, aber zu seiner Linken saß Glyn, und es war einfacher, sich mit dem Freund über Jagdfalken zu unterhalten als die gefährlichen Territorien von Isoldes Geist ergründen zu wollen. Mit ihrem Körper kannte er sich bestens aus, aber ihre Gefühle und Motive verwirrten ihn ständig. In den letzten Tagen war sie unheimlich leidenschaftlich und unglaublich lieb gewesen. Hoffte sie, ihn auf diese Weise beeinflussen zu können, damit er in letzter Minute einen neuen Weg einschlug? Wenn ja, so würde sie eine herbe Enttäuschung erleben ... Rhys aß, unterhielt sich mit Glyn und wartete darauf, dass Isolde den ersten Schritt machen würde.
Nach dem Abendessen, als die Dienstmädchen mit dem Abräumen der Tische begannen, führten Linus und Gandy unter Mitwirkung zweier Pagen und des Hündchens Cidu eine kleine Farce auf. Isolde stand vom Stuhl ihrer Mutter auf, um zu kontrollieren, ob in der Halle alles in Ordnung und für die Nacht vorbereitet war. Rhys hielt sie kurz am Handgelenk fest. »Ich werde mich heute ein wenig verspäten«, sagte er leise.
Für Sekunden schauten sie sich in die Augen, dann nickte Isolde und entfernte sich. Rhys blickte ihr nach und zerbrach sich den Kopf, was er mit ihr machen würde, sobald der erbitterte Kampf mit ihrer Familie vorüber war.
Das war eine Frage, auf die er keine Antwort wusste. Er hatte sie ursprünglich verführt, um sich auch auf diese perfide Weise an den Fitz Hughs zu rächen, und erst zu spät begriffen, dass das ein schwerer Fehler gewesen war - vielleicht der schwerste Fehler seines Lebens. Denn jetzt drohte er selbst von dem Feuer verzehrt zu werden, das er gedankenlos entfacht hatte. Sobald er ihren Vater und Onkel getötet hatte, würde sie ihn verschmähen. Selbst wenn er sie zwang, bei ihm zu bleiben, würde sie ihn hassen. Noch vor einer Woche wäre ihm das gleichgültig gewesen, doch in den letzten Tagen hatte ihre Beziehung sich stark verändert.
Trotzdem konnte er nicht auf die endgültige Abrechnung mit seinen Feinden verzichten - und er wollte es auch nicht redete er sich ein.
Von der Farce, die seine Freunde aufführten, bekam Rhys kein Wort mit. Erst als das Gelächter der Zuschauer verebbte und Glyn ihn mit dem Ellbogen anstieß, wurde er aus seinen düsteren Gedanken gerissen.
»Die Klingen müssten inzwischen abgekühlt sein. Sehen wir nach, ob ihre Balance stimmt.«
Rhys nickte zustimmend und stand auf. Er musste sich auf Waffen und Verteidigungsanlagen konzentrierten, wenn er diesen Kampf gewinnen wollte. Seine
Fleischeslust war zweitrangig - und vor allem durfte er nicht an eine Zukunft ohne Isolde denken!
Deshalb warf er sich sein Cape über die Schultern und trat aus der warmen Halle in die Winterkälte hinaus. Dabei spürte er weder Gandys noch Tillos besorgte Blicke, die ihm folgten, bis die Tür zufiel.
Und er spürte auch nicht Dafydds grollendes Stieren ...
Ein Stockwerk höher stand Isolde auf der Schwelle ihres Schlafzimmers, das sie bis vor kurzem als unschuldige Jungfrau mit ihren
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