Die Herrin von Rosecliffe
betrachtete sie eindringlich - »Ihr solltet Rhys begleiten. Er scheint verletzt zu sein.«
Sie eilte ins Zimmer und schloss zur Enttäuschung der Gaffer hinter sich die Tür. Linus hatte Rhys losgelassen, der wie ein wilder Tiger im Käfig hin und her lief. Als er Isolde sah, blieb er stehen. »Hat er dich ... verletzt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Aber was ist mit dir?« Ein Ärmel war mit Blut durchtränkt, wie sie erschrocken bemerkte. »Lass mich deine Wunden versorgen.«
Rhys starrte sie an, ohne ihre Worte zu hören. Ihr war nichts passiert. Dafydd hatte keine Zeit gehabt um sie zu vergewaltigen. Das war das einzig Wichtige!
Isolde wandte sich an Linus. »Hol Wasser, Seife, Verbandszeug, eine Heilsalbe - und Nadel und Faden. Gerta wird dir zeigen, wo du alles Nötige findest.«
Linus gehorchte, und sie blieb mit Rhys allein zurück, der immer noch rotsah, wenn er an Dafydds Niedertracht dachte. Aber Isolde war unversehrt ... Vor grenzenloser Erleichterung wurde ihm schwindelig, er lehnte sich an einen Bettpfosten, atmete tief durch und betrachtete erstaunt seine blutende Hand.
»Uffern dan!« Bis jetzt hatte er in seiner Angst und Wut gar nicht gespürt dass er verletzt worden war.
Zarte Finger wölbten sich vorsichtig um die schmerzende Hand. »Lass mich deine Wunden versorgen«, sagte eine sanfte Stimme. »Ich werde mich um dich kümmern, Rhys.«
Isolde untersuchte behutsam die beiden Schnittwunden - eine auf der fleischigen Innenseite des rechten Daumens, die zweite am linken Unterarm. Dann schaute sie Rhys tief in die Augen, als wolle sie einen Schwur bestätigen. Ich werde mich um dich kümmern ... Hatte er jemals schönere Worte gehört? Nein, gestand Rhys sich ein.
Linus und Gerta brachten alles, was für die Behandlung benötigt wurde, legten die Sachen auf ein Tischchen und zogen sich diskret wieder zurück. Isolde hatte ihnen zerstreut gedankt ohne die Augen von Rhys zu wenden.
Sie liebte ihn, und obwohl ihm das eigentlich ganz egal sein sollte - obwohl er das nie gewollt hatte -, empfand Rhys ein tiefes Glücksgefühl. Kein Mensch hatte ihn je geliebt. Kein Mensch hatte je versprochen, sich um ihn kümmern zu wollen. Zeit seines Lebens war er allein zurechtgekommen, und auch jetzt brauchte er im Grunde keine Hilfe. Aber er wollte, dass sie sich um ihn kümmerte ...
»Ich werde vorsichtig sein«, murmelte Isolde. »Trotzdem wird es vielleicht wehtun.« Sie hielt immer noch seine verletzte Hand. Waren das Tränen, die in ihren verstörten grauen Augen schimmerten?
»Schreite zur Tat, Feldscher!«, scherzte Rhys, um sie ein wenig aufzuheitern. »Ich werd's bestimmt überleben.«
Ihr Gesicht blieb ernst. Ach tu mein Bestes«, versicherte sie wieder.
Ob dieses Gesicht nun ernst oder fröhlich, wütend oder vor Lust gerötet war - es faszinierte Rhys immer, wie er sich widerwillig eingestand. Und er war jetzt sogar froh, dass Dafydd ihn verletzt hatte, denn Isolde würde sich um ihn kümmern ...
Sie führte ihn zu dem Tischchen und schob seine Ärmel hoch. »Halt die Hand und den Arm über die Waschschüssel«, wies sie ihn an und goss warmes Wasser über die beiden klaffenden Wunden.
»Verdammt!«, knurrte Rhys mit zusammengebissenen Zähnen, während sie vorsichtig das Blut abtupfte. Gleich darauf grinste er verlegen. »Entschuldigung ... ich sollte in deiner Gegenwart nicht so fluchen. Aber es hat ein bisschen gebrannt.«
»Bitte, Rhys, du brauchst dich doch nicht bei mir zu entschuldigen. Ich bin es, die ... « Sie verstummte und senkte die Lider. Ihre langen dunklen Wimpern flatterten auf der zarten Haut - wie Schmetterlingsflügel auf einer Rosenblüte.
Fast hätte Rhys bei diesem Gedanken laut aufgelacht. Isolde verwandelte ihn in einen romantischen Narren, in den poetischen Spielmann, den er bei seiner Ankunft in Rosecliffe gespielt hatte. Aber es störte ihn nicht denn ihre Wangen glichen wirklich einer Rosenblüte - zart rosig und weich.
Unwillkürlich beugte er sich etwas vor, und im selben Augenblick schaute sie wieder auf. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. »Danke«, flüsterte Isolde mit zittriger Stimme. »Danke, Rhys!«
Sein Name schien einen ganz besonderen Klang zu haben, wenn sie ihn aussprach - einen' liebevollen Klang, der ihm zu Herzen ging.
»Es ... es tut mir so Leid, dass du verletzt bist«, fuhr Isolde leise fort. »Ich hätte nicht allein hinaufgehen sollen. Ich hätte Dafydds böse Absichten erraten müssen ... « Sie
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