Die Herrin von Rosecliffe
die Absicht für dich einen solchen Ort zu finden, damit du noch viele Jahre lebst. Aber meine Bemühungen werden vergeblich sein, wenn du vorher absichtlich erfrierst Tillo.« Sie legte einen Arm um die schmalen Schultern der Frau und führte sie zum Kamin. »Setz dich bitte und iss! Später würde ich mich gern ein bisschen mit dir unterhalten.«
Tillo schaute zu ihr auf, und ein schwaches Lächeln huschte über das faltige Gesicht. »Du hast ein sehr weiches Herz, Kind. Aber das erschwert einem oft das Leben ... «
Wahrscheinlich hat sie Recht, dachte Isolde. Aber für mich ist es zu spät, mein weiches Herz zu panzern. Ich habe es ja schon verloren.
Sie erspähte Newlin auf einer Bank an der Seitenwand. Er hatte einen mit Schmorfleisch gefüllten Laib Graubrot in der Hand, und drei Burghunde saßen erwartungsvoll im Halbkreis um ihn herum, weil sie aus Erfahrung wussten, dass er ihnen etwas abgeben würde.
»Ah, unsere gutherzige Isolde!« Der alte Barde schenkte ihr sein verblüffend kindliches Lächeln. »Sei guten Mutes, meine Kleine. Sogar der kälteste Winter birgt schon den Keim des kommenden Frühlings in sich.«
Sie starrte ihn mit gerunzelter Stirn an. »Es freut mich, das zu hören, aber könntest du mir vielleicht erklären, was du damit meinst?«
Doch Newlin lächelte nur wieder und warf einem der geduldigen Hunde einen leckeren Happen hin.
Isolde seufzte schwer. »Bitte setz dich ans Feuer.«
Er schüttelte den Kopf. »Tillo würde sofort gehen, wenn ich mich irgendwo in die Nähe setze.«
Isolde hob die Brauen. »Warum sollte sie das tun?« Im nächsten Moment hätte sie sich wegen ihres Versprechers am liebsten die Zunge abgebissen.
Doch als Newlin nicht mit der Wimper zuckte, wurde ihr klar, und sie war sehr erleichtert darüber, dass er längst über Tillos wahres Geschlecht Bescheid wusste.
»Sie vertraut mir noch nicht«, antwortete er ruhig.
»Hast du die Absicht das zu ändern?«, fragte Isolde neugierig. Sie wurde den Eindruck nicht los, dass der Barde ein besonderes Interesse an Tillo hatte.
Er fixierte sie mit einem Auge, während das andere wie immer in die Ferne blickte. »Jeder von uns muss tun, was er tun muss, selbst wenn es außerhalb der Grenzen unseres bisherigen Lebens liegt - oder außerhalb der Grenzen des Lebens, das wir erwartet haben. «
Isolde runzelte wieder die Stirn. Das Bedürfnis, sich dem weisen Barden anzuvertrauen, war schier übermächtig, doch dies war weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort. Deshalb begnügte sie sich mit der Frage: »Sprichst du von meinem Leben oder von deinem?«
»Vielleicht von beiden. Vielleicht vom Leben jedes Menschen.« Mit seinem nicht verkrüppelten Arm beschrieb er eine weite Geste, die den ganzen riesigen Raum umfasste. »Geh jetzt Kind. Ich habe heute Abend keinen Rat für dich - außer dem einen: wirf einen Blick über die Grenzen hinweg, die du dir selbst gesetzt hast und spreng sie notfalls.«
Verwirrt gehorchte Isolde, weil sie aus Erfahrung wusste, dass sie jetzt kein Wort mehr aus ihm herausbekommen würde. Was meinte Newlin damit dass sie Grenzen sprengen solle? Hatte sie sich nicht längst über alle Grenzen des Anstands hinweggesetzt? Wenn die Welt über ihren Sündenfall Bescheid wüsste, würde man mit Fingern auf sie zeigen! Sie wäre eine Geächtete, die kein Mann mehr heiraten würde!
Und sollte sie wirklich schwanger sein, wäre alles noch viel schlimmer ...
Trotzdem sündigte sie Nacht für Nacht weil sie ein fach nicht anders konnte. Welche Grenzen sollte sie jetzt noch überschreiten? Die einzige Steigerung ihrer bisherigen Schandtaten bestünde darin, sich von ihrer Familie loszusagen - doch das würde sie niemals tun!
Zerstreut vergewisserte sie sich, dass alle Tische bedient worden waren. Jetzt konnte sie an Rhys' Seite - auf dem Stuhl ihrer Mutter - Platz nehmen, wie sie es in den letzten Tagen bei allen Mahlzeiten getan hatte. Doch sie blieb zögernd am Kamin stehen und fröstelte trotz des mächtigen Feuers. Es konnte jetzt nicht mehr lange dauern ... Sobald eine Wetterbesserung eintrat, würde ihr Vater mit einer Armee in Rosecliffe eintreffen, und dieses kurze Idyll würde ein brutales Ende nehmen ...
Eine Welle von Panik schlug über ihr zusammen, und sie presste eine Hand auf ihren Bauch. Was, wenn sie wirklich schon ein Kind von Rhys empfangen hatte? Es war noch viel zu früh, um Gewissheit zu haben, aber die Möglichkeit bestand ein zusätzlicher Grund, weshalb eine
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