Die Herrin von Rosecliffe
sterben, dass Isolde Fitz Hugh sein Kind im Leibe trug und gezwungen sein würde, einen walisischen Bastard aufzuziehen ...
Isolde griff sich in panischer Angst an die Kehle und wollte diesen schrecklichen Verdacht verdrängen, aber er hatte sich schon in ihrem Gehirn eingenistet. In den letzten Tagen hatte sie sich manchmal einzureden versucht, dass Rhys aus Liebe zu ihr letztlich freiwillig auf Rosecliffe Castle verzichten würde, so unwahrscheinlich das auch sein mochte. jedenfalls hatte sie felsenfest geglaubt, dass er sie genauso begehrte wie sie ihn. Es war. ihr nie in den Sinn gekommen, dass er vielleicht nur mit ihr schlief, um sie zu schwängern. Konnte ein Mann solche Leidenschaft nur heucheln? Ihr fehlte die Erfahrung um das beurteilen zu können.
Vor Kummer wie gelähmt sank sie auf ihren Stuhl und starrte blind zu den hohen Fenstern empor, die mit Eisblumen geschmückt waren. So vereist fühlte sich plötzlich auch ihr Herz an ... Erst als Gandy sich näherte, gelang es ihr unter Aufbietung aller Willenskraft, eine gefasste Miene zur Schau zu tragen. Trotzdem warf der Zwerg ihr einen neugierigen Blick zu.
»Fehlt Euch etwas, Isolde?«, fragte er besorgt.
Sie schüttelte den Kopf und rang sich ein Lächeln ab, das eher einer Grimasse glich. »Nein, nein ... Es macht mich nur nervös, dass man bei diesem Wetter keinen Fuß vor die Tür setzen kann, weiter nichts. Ich sehne mich nach frischer Luft.«
»Ich habe bei ähnlichem Wetter oft in den Wäldern übernachten müssen«, entgegnete der Zwerg. »Deshalb bin ich für meine Person heilfroh, ein Dach über dem Kopf zu haben und mich am Feuer wärmen zu können, wann immer ich will.« Er deutete zufrieden auf den riesigen Kamin. »Das Fleisch ist fertig. Sollen wir mit dem Abendessen beginnen?«
»Wir warten auf Rhys«, entschied Isolde. Sie durfte nicht daran denken, dass er vielleicht gerade mit Emalda im Stall war, sonst würde sie verrückt werden! »Und auf Tillo. Wo steckt er eigentlich?«
Gandy zuckte mit den Schultern. »Er benimmt sich in letzter Zeit ziemlich merkwürdig.«
»Tatsächlich?« Isolde stieß einen tiefen Seufzer aus. Der Zwerg war normalerweise so scharfsinnig, er reiste seit Jahren mit Tillo durch die Lande - und merkte trotzdem nicht, dass sein Freund in Wirklichkeit eine Frau war! Wie war so etwas nur möglich?
Aber war nicht sie selbst in Bezug auf Rhys genauso, blind gewesen?
»Ja, er benimmt sich reichlich komisch«, wiederholte Gandy. »Vorhin ist Newlin gekommen, und seitdem scheint Tillo sich in Luft aufgelöst zu haben.« Der Zwerg verschränkte seine kurzen Arme vor der Brust. »Besitzt Newlin wirklich das Zweite Gesicht wie alle behaupten?«
»Er ist sehr weise.« Isolde strich sich nachdenklich eine lose Locke aus der Stirn. Hatte der alte Barde Tillo durchschaut? Könnte er ihr vielleicht auch die Wahrheit über Rhys sagen? »Wo ist er?«
»Wer? Newlin oder Tillo? «
»Beide«, erwiderte Isolde. »Es ist Zeit zum Abendessen, und sie sind alt und sollten längst am warmen Feuer sitzen. «
Am anderen Ende der Halle kläffte Cidu plötzlich aufgeregt und einige kleine Kinder, die sich um das Hündchen geschart hatten, lachten schallend. »Sie werden ihn noch fett füttern!«, schimpfte Gandy und eilte auf die Gruppe zu. Isoldes Gedanken kreisten immer noch um Newlin und Tillo. Heckten sie vielleicht irgendwo gemeinsam etwas aus? Beide waren weise, beide wünschten sich eine friedliche Lösung des Konflikts und wollten weder den Fitz Hughs noch Rhys Schaden zufügen. Isolde beschloss, vorläufig nicht mehr über Dafydds Behauptungen zu grübeln und die beiden alten Leute um Rat zu fragen, sobald sich eine Gelegenheit dazu bot.
Rhys betrat die Halle, und durch die geöffnete Tür drang sofort ein eisiger Luftzug ein, begleitet von Schneeflocken. Diesmal mied Isolde seinen Blick. Sie wartete, bis er sich auf den Platz ihres Vaters gesetzt hatte, und gab den Dienstboten dann ein Zeichen, jetzt das Essen zu servieren.
Tillo und Newlin tauchten erst auf, als die Mahlzeit schon in vollem Gange war - einzeln, im Abstand mehrerer Minuten. Isolde ging sofort auf die alte Frau zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Komm, setz dich ans Feuer. Du siehst ja halb erfroren aus. Wo bist du gewesen?«
»Mach nicht so viel Aufhebens um mich, Mädchen«, brummte Tillo. »Ich bin noch nicht altersschwach.«
»Du hast mir einmal erzählt dass du deinen Lebensabend an einem friedlichen Ort verbringen möchtest. Ich habe
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