Die Herrin von Rosecliffe
Stimme dicht neben sich hörte. Aber seine Worte waren nicht an sie, sondern an Rhys gerichtet. »Willst du nicht deine ganze Kraft zur Verfügung stellen, um Rosecliffe Castle zu retten? Es ist eine gute massive Festung, die der Nachwelt erhalten bleiben sollte. «
Neben ihm stand Tilly. Ihr Gesicht schien in den letzten Tagen weicher geworden zu sein, sodass sie jetzt deutlich als Frau zu erkennen war. »Es sind die Menschen, die darüber entscheiden, ob man an irgendeinem Ort gut oder schlecht leben kann. Das gilt für eine stolze Burg ebenso wie für die kleinste Hütte.« Sie lächelte dem jungen Mann zu, den sie so lange auf seinen Reisen begleitet hatte. »Hilf ihnen, Rosecliffe zu retten, Rhys. Und sorg dafür, dass es ein Ort bleibt an dem sich gut leben lässt.«
Isolde hätte es verstanden, wenn er sich geweigert hätte. Er hatte schon mehr als genug getan, als er sein eigenes Leben aufs Spiel setzte, um sie zu retten. Und die Verletzungen, die Dafydd ihm zugefügt hatte, mussten immer noch höllisch schmerzen. Doch als er seufzte und ihr ein schiefes Lächeln schenkte, machte ihr Herz einen Freudensprung. »Ich komme bald zu dir zurück«, versprach Rhys. »Wir haben vieles zu besprechen.« Dann rannte er zum Brunnen, schnappte sich zwei Eimer und verschwand mit ihnen in der Halle.
Wieder zuckte ein greller Blitz über den dunklen Himmel. Doch dieses Mal dauerte es länger, bis der Donner krachte, und sein Grollen vermischte sich mit dem Trommeln dicker Wassertropfen.
Regen!
Innerhalb von Sekunden öffnete der Himmel sämtliche Schleusen. Es war ein Wolkenbruch sondergleichen, ein eisiger Regen, der alle im Nu bis auf die Haut durchnässte und doch jubelnd begrüßt wurde. Die Menschen suchten Schutz, wo immer sie konnten - im Waschhaus, in der Küche, im Geräteschuppen ...
Isolde hatte nicht das Bedürfnis, der Sintflut zu entfliehen. Sie stand auf und hielt ihre Hände glücklich in den Regen. - Ein kalter Guss wurde ihr vom Wind direkt ins Gesicht gefegt wo er sich mit heißen Tränen der Dankbarkeit vermischte.
»Hast du das alles bewirkt?«, schrie sie Newlin zu. »Hast du den Regen geschickt - und zuvor den Blitz?«
Der Barde schenkte ihr sein süßes Lächeln und schüttelte den Kopf. »Ich besitze eine scharfe Beobachtungsgabe. Ich sehe Dinge, die andere Menschen meistens übersehen, und gelegentlich gebe ich ihnen kleine Ratschläge oder Hinweise. Aber über das Wetter kann ich nicht gebieten, genauso wenig wie über die Entscheidungen, die Menschen mit freiem Willen treffen. «
Isolde war nicht sicher, ob sie ihm das glauben sollte, aber es spielte im Augenblick keine große Rolle. Sie starrte zum Turm empor, wo das Feuer sich noch einmal schwach gegen seine Niederlage aufbäumte und dann mit einer dunklen Rauchwolke endgültig kapitulierte. Mit einem strahlenden Lächeln drehte Isolde sich wieder nach Newlin um. »Vielleicht ist es, wie du sagst. Aber du wusstest auf jeden Fall, wie das alles enden würde. Und jetzt muss ich nur noch Frieden zwischen meinem Vater und Rhys stiften.«
Newlin lächelte Josselyns ungewöhnlicher Tochter zu und begann sich langsam vor und zurück zu wiegen, was in kritischen Situationen immer beruhigend auf ihn wirkte. Tilly griff nach seiner verkrüppelten Hand und imitierte seine Bewegungen im selben Rhythmus, worauf er zufrieden seufzte. Gemeinsam beobachteten sie, wie Isolde leicht hinkend den Hof überquerte, mit erhobenen Armen, so als flehe sie den Regen an, nie zu enden. Dann verschwand sie in der Halle und machte sich auf die Suche nach dem Mann, den sie liebte und mit dem sie ihr Leben verbringen wollte.
»Das Ende des Winters ist nahe«, murmelte Newlin.
»Er hat noch kaum begonnen«, widersprach Tilly, doch dann begriff sie, was er damit meinte, und drückte ihm fest die Hand. »ja, das Ende des Winters ist nahe. Aber ich friere und habe Hunger. Komm, alter Mann, lass uns irgendwo ein warmes Feuer suchen. «
Die Augen des Barden funkelten schelmisch. »Ich vermute fast dass es dich bei diesem Wetter nicht in den domen zieht.«
Tilly rümpfte die Nase. »Dieses harte, eisige Loch?«,
schnaubte sie. »Du brauchst nur zu fragen. Jeder Dorfbewohner wird uns beherbergen. Sie haben Angst dir eine Bitte abzuschlagen.«
»Sie brauchen vor mir keine Angst zu haben«, protestierte Newlin.
»Nein.« Tilly schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Vor dir braucht wirklich niemand Angst zu haben.«
Isolde traf in der Halle nur ihre Mutter und ihre Tante
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