Die Herrin von Rosecliffe
bin.«
»Ihr lernt erstaunlich schnell.«
»Wirklich?«, murmelte Isolde, erfreut über das unerwartete Kompliment.
»Ja.« Reevius mied ihren Blick. »Das muss unsere letzte Unterrichtsstunde sein.«
»Die letzte? Aber warum denn? Du brauchst Rosecliffe doch nicht so schnell zu verlassen. Bleib mit deinen Freunden noch eine Weile hier - wir alle freuen uns über eure abendlichen Vorführungen.«
»Nein, es ist viel zu schwer zu ertragen.«
»Was?«
Jetzt blickte er ihr wieder tief in die Augen. »In deiner Nähe zu sein, Isolde.«
Obwohl sie unmöglich etwas gehört haben konnten, schauten Newlin und Tillo plötzlich zu dem musizierenden Paar hinüber, doch das fiel Isolde nicht auf. Ihre Sinne - alle Sinne - wurden von Reevius gefesselt der sie soeben zum ersten Mal geduzt hatte. »Aber ... aber ich möchte, dass du bleibst«, flüsterte sie. »Bitte geh nicht fort..«
Er schüttelte den Kopf. »In deiner Nähe zu sein und dich nicht berühren zu dürfen - nein, das ist zu viel verlangt.«
»Du darfst mich ja berühren«, murmelte Isolde, ohne zu überlegen, was sie sagte.
Ihre Worte schürten das Feuer, das in seinen schwarzen Augen brannte. »Deine Hand?«, fragte er spöttisch. »Deine Schulter? Oder deinen Ellbogen?«
Sie schluckte, weil ihr klar war, was er mit berühren meinte. »Vielleicht ... vielleicht auch mehr ... mehr als Schulter und Ellbogen«, stammelte sie.
Reevius rückte so dicht an sie heran, dass sein harter Schenkel gegen ihren weichen drückte. Er schlang einen Arm um ihre Schultern und legte seine Hand über ihre Finger, die untätig auf den Griffsaiten ruhten. »Ich habe dich heute am Strand gefragt was du von mir willst Isolde«, raunte er ihr ins Ohr. »Sag es mir bitte - jetzt! Unerwiderte Liebe ist eine Qual, die ich nicht länger ertragen kann.«
Liebe!
Er hatte. das Zauberwort ausgesprochen ... Nicht Begierde, nicht Leidenschaft. Nein - Liebe!
Vor Glück benommen, lehnte sie ihren Kopf an seinen muskulösen Arm. »Sie ... sie ist nicht unerwidert ... «
Sofort verstärkte er den Druck auf ihre Finger, und mit den Knöcheln der anderen Hand streichelte er sanft ihre Wange. Isolde schloss die Augen und stöhnte leise, weil in ihrem Innern ein heftiger Kampf tobte.
Wenn sie nicht in der Halle gewesen wären, hätte sie sich Reevius am liebsten sofort hingegeben - aber durfte sie so etwas tun? Nein, natürlich nicht ... Ein anständiges Mädchen wurde erst in der Hochzeitsnacht entjungfert ... Aber sie begehrte und liebte diesen Mann - und er begehrte und liebte sie ... Er liebte sie ...
»Wo können wir allein sein?«
Vor Schreck über diese unverblümte Frage riss Isolde weit die Augen auf und hielt den Atem an. jetzt musste sie sich entscheiden!
»In ... in meinem Schlafzimmer ... ein Stockwerk höher ... «
»Und deine Zofe?«
Isolde dachte flüchtig an Magda, die sich jetzt vermutlich irgendwo mit ihrem George vergnügte. »Ich habe sie für heute schon entlassen.«
»Bist du sicher, dass sie nicht zurückkommt?«
Isolde zögerte. War sie denn verrückt, Reevius in ihr Schlafzimmer einzuladen? Die Antwort lag auf der Hand: ja, sie war verrückt - verrückt vor Lust und Liebe. Verrückt vor einer nie gekannten Hitze in ihrem Bauch. Aber wenn ihre Eltern erfuhren, was sie getan hatte?
Dann fiel ihr plötzlich etwas ein - eine Tatsache, die in der ganzen Umgebung von Rosecliffe bekannt war, über die in ihrer Familie aber kaum gesprochen wurde: sie war lange vor der Hochzeit ihrer Eltern geboren worden! Damals hatte sich ein walisisches Mädchen in den englischen Lord verliebt der in ihrem Land eine Festung bauen und ihr Volk unterjochen sollte. Sie waren Feinde gewesen - und hatten erst nach erbitterten Kämpfen zueinander gefunden. Folglich hatten ihre Eltern auch kein Recht ihr Vorwürfe zu machen, wenn sie mit einem Mann schlief, der nicht ihr Ehemann war. Immerhin war Reevius nicht ihr Feind ...
Sie holte tief Luft. »Magda kommt bestimmt nicht vor morgen früh. Aber sicherheitshalber können wir auch in den zweiten Stock gehen.«
Er hob erstaunt die Brauen. »Etwa ins Schlafzimmer deiner Eltern?« Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
Ohne weitere Diskussion stand Isolde auf und ging mit weichen Knien auf die Treppe zu. Sie hatte es getan ... Heilige Mutter Gottes, sie hatte es wirklich gewagt!
Newlin beobachtete sie nachdenklich. Obwohl ihr junger Mann vorläufig noch auf der Bank saß, musste man kein Hellseher sein, um zu wissen, womit dieser
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