Die Herrin von Rosecliffe
aber entschlossen, Rhys die Stirn zu bieten. »J a, die bin ich in der Tat.«
»Dann müsstest du eigentlich auch viel Verständnis für meine Handlungen haben, denn ich benehme mich so, wie jeder gute Sohn es tun würde. «
Isolde stellte fest, dass alle Zuschauer sich plötzlich wie in Luft aufgelöst und sie mit Rhys allein gelassen hatten. Obwohl damit zu rechnen gewesen war, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken.
»Das Betreten der Halle ist dir noch nicht erlaubt meine Liebe. «
»Warum nicht?«
»Dieses Privileg musst du dir erst verdienen.«
Sie verschränkte die Arme. »Auf welche Weise?«
Rhys musterte sie von Kopf bis Fuß. »Da gäbe es diverse Möglichkeiten.«
Heiße Röte schoss ihr in die Wangen. »Wenn du dir einbildest ... «
Er schnitt ihr barsch das Wort ab. »Hast du endlich mit dem Wandgemälde in meinem Schlafzimmer angefangen? Als ich gestern Abend zu Bett ging, war noch nicht einmal eine flüchtige Skizze zu sehen.«
Sie gab keine Antwort aber ihre Augen schleuderten Blitze.
»Ich verstehe ... « Rhys packte sie plötzlich am Arm und zerrte sie in Richtung der Treppe. »Wenn du diesen Auftrag zu meiner vollen Zufriedenheit ausgeführt hast werde ich mir überlegen, ob du den Turm verlassen darfst. Bis dahin darfst du die zwei oberen Stockwerke nicht verlassen. Hast du mich verstanden, Isolde?« Er schüttelte sie leicht und stieß sie auf die Treppe.
»Was erhoffst du dir davon?«, kreischte Isolde, als er sie losließ und sich zum Gehen wandte.
Rhys blieb stehen und musterte sie erneut. Erst jetzt fiel ihr auf, wie elegant er gekleidet war. Der eng anliegende grüne Rock war am Kragen und an den Ärmeln mit Goldborten verziert die bernsteinfarbene Hose aus feiner weicher Wolle, die hohen Lederstiefel waren auf Hochglanz poliert und außer einem kurzen Dolch trug er keine Waffe. In diesem Aufzug hätte man ihn ohne weiteres für einen reichen englischen Lord halten können, der in seiner eigenen Burg residierte.
Nur seine Augen verrieten ihn - die funkelnden Augen eines wilden Raubtiers. »Was ich mir erhoffe?«, wiederholte er ihre Frage auf Walisisch. »Den totalen Sieg. Die absolute Herrschaft. Und von dir erwarte ich komplette Unterwerfung. «
Isolde arbeitete mit einer Geschwindigkeit und Intensität die. von rasender Wut angefacht wurden. Rhys rechnete mit einem totalen Sieg? Sie würde es ihm zeigen! Er glaubte, die Fitz Hughs beherrschen zu können? Dieser Narr!
Er wollte, dass sie sich ihm unterwarf?
Ihre Finger zitterten so stark, dass der Kohlestift auf der rau verputzten Wand abrutschte. »Verdammter Mist! «, murmelte sie vor sich hin, obwohl man ihr von klein auf eingeschärft hatte, dass ein Mädchen niemals fluchen durfte. Auch daran war nur dieser Teufel schuld!
Mit einem eingeseiften feuchten Tuch wischte sie die misslungene Linie ab und vollendete ziemlich rasch den gekrümmten Drachenschwanz mit den bedrohlichen Zacken, immer noch in Rage. Rhys glaubte, sie würde sich seinem Willen beugen, und vielleicht sah es so aus, als täte sie das tatsächlich. Aber sie hatte gute Gründe, das verlangte Wandbild zu malen. Es war sinnlos, ihm ständig zu trotzen. Sie musste logische Entscheidungen treffen, auch wenn ihr das ungeheuer schwer fiel. Sie durfte sich nicht wieder zu emotionalen Reaktionen hinreißen lassen, sondern musste Demütigungen schlucken und sich mit dem Gedanken trösten, dass ihr Feind letztlich doch eine Niederlage erleiden würde.
Es würde mindestens eine Woche dauern, schätzte sie, bis ihr Vater die schlimmen Neuigkeiten aus Rosecliffe erfuhr, und selbst wenn er London sofort verließ, würde er für die Rückreise gut eine Woche benötigen.
Das bedeutete, dass ihre Leidenszeit insgesamt etwa zwei Wochen dauern würde. Zwei Tage waren immerhin schon vorbei. Die restlichen zwölf könnte sie dazu benutzen, möglichst viel über Rhys' Pläne und Schwächen zu erfahren. Mit einem Ziel vor Augen würde die Gefangenschaft leichter zu ertragen sein. Und zwei Wochen waren schließlich keine Ewigkeit ...
Deshalb zeichnete sie gehorsam den Drachen mit seinen mörderischen Klauen und Zähnen. Sie zeichnete auch den unter ihm liegenden besiegten Wolf und tröstete sich dabei mit dem Gedanken, dass die Rollen bald vertauscht sein würden. Sehr bald! Dann würde sie dieses Wandgemälde, für das sie besonders dünne Wasserfarben verwenden wollte, sofort abwaschen und ein neues - viel haltbareres - Bild anfertigen, das den Triumph des Wolfs
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