Die Herrin von Rosecliffe
Fäuste in die Hüften gestemmt. »Und du, Gandy, treibst sofort irgendwo drei Küchenjungen auf.« Bevor der Zwerg protestieren konnte, fügte sie hinzu: »Das Ganze war deine Idee. Deshalb wirst du jetzt tun, was ich dir sage!«
Als Rhys kurz vor Sonnenuntergang über die Zugbrücke ritt fand er eine friedliche Szenerie vor. Seine Männer bewachten das Tor und patrouillierten auf dem Wehrgang. Einige Hühner scharrten im Kies, drei junge Hunde tollten im Hof herum, und vor den Stallungen striegelten zwei Burschen ein Pferd.
Er stieg ab und warf die Zügel seines Hengstes einem der Jungen zu, der sie geschickt auffing und sofort damit begann, das müde Tier sorgfältig abzureiben.
Der Burgherr kehrt am Ende eines langen Tages im Sattel nach Hause zurück, wird respektvoll empfangen und kann sich auf einen geruhsamen Abend freuen, dachte Rhys zufrieden. Ein köstlicher Geruch nach Bratäpfeln stieg ihm in die Nase, und er grinste den beiden Stallburschen zu. »Bei solchen Küchendüften läuft einem das Wasser im Mund zusammen, stimmt's?«
» Ja, Sir.«
» Ja, Mylord.«
Sir ... Mylord ... Wie angenehm, so ehrerbietig angeredet zu werden! Beschwingt eilte Rhys auf die Halle zu. Er konnte immer noch kaum glauben, dass Rosecliffe Castle endlich ihm gehörte. Die mächtigen Mauern waren in weiches Abendlicht getaucht. Über den Dächern kreiste ein Falke und hielt nach Beute Ausschau. Viel Glück, mein Freund, schnapp dir alles, was du kannst! Als elternloser junge, der in den Wäldern hausen musste und immer hungrig war, hatte Rhys diese Raubvögel oft beneidet. Jetzt fühlte er sich dem Falken überlegen, denn er hatte seine Beute ja schon fest im Griff und würde sie nie wieder aus den Klauen lassen ...
Doch als Rhys die große Halle betrat, hatte er das Gefühl, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Misstrauisch schaute er sich um, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken. Im Kamin brannte ein behagliches Feuer; die in regelmäßigen Abständen an den Wänden befestigten Fackeln spendeten war mes Licht; vier Dienstmädchen stellten riesige Platten mit Fisch, Geflügel und Gemüse auf die Tische; drei Küchenjungen füllten Krüge mit dunklem Bier und Rotwein; Gandy saß auf einem Hocker und spielte Laute; zwei walisische Soldaten würfelten in einer Ecke. Ein friedliches Bild ...
Viel zu friedlich!
Als er heute Morgen weggeritten war, hatte im Haushalt absolutes Chaos geherrscht. Die Dienstboten waren verängstigt und nervös herumgelaufen und hatten nicht gewusst an wen sie sich wenden sollten, wenn sie Anweisungen brauchten. Wie war es möglich, dass jetzt alles so geordnet ablief?
Rhys knirschte mit den Zähnen. Die Antwort lag auf der Hand: das war Isoldes -Werk. Und er hegte den Verdacht dass seine Freunde ihr dabei geholfen hatten. Doch als er Gandy mit einem scharfen Blick durchbohrte, lächelte der Zwerg ihm unschuldig zu.
»Willkommen daheim, Mylord. Alle haben ungeduldig auf Eure Rückkehr gewartet. Ihr seid spät dran, und wir haben Hunger.«
»Wo ist sie?«, knurrte Rhys. »Und hör sofort mit dieser albernen Komödie auf! Ich sehe doch genau, was hier los ist.«
Gandy behielt seine Unschuldsmiene bei. »Lady Isolde hält sich meines Wissens im Turm auf - wie Ihr befohlen habt Mylord.«
Es war natürlich pure Ironie, dass der Zwerg ihn plötzlich nicht mehr duzte, aber Rhys überhörte diese Provokation, weil er gerade einen schweren Kampf mit sich selbst ausfocht. Im Laufe des Tages hatte er sich mehrmals geschworen, Isolde in Zukunft nicht mehr zu bedrängen. Schließlich gab es in der Umgebung andere hübsche Frauen, die bestimmt geschmeichelt sein würden, wenn der neue Herr von Rosecliffe mit ihnen schlief! Doch jetzt konnte er der Versuchung, sie sofort zu sehen, einfach nicht widerstehen. »Ich will mich vor dem Abendessen noch schnell waschen«, teilte er Gandy barsch mit durchquerte mit Riesenschritten die Halle und stürmte die Treppe hinauf. Zum Glück sah er nicht, dass Gandy und Linus hinter seinem Rücken grinsten und einen wissenden Blick tauschten.
Als Wachposten saß Tillo auf den obersten Stufen zur ersten Etage. Sein faltiges Gesicht hatte einen sehr besorgten Ausdruck. »Du spielst mit dem Feuer, Rhys«, sagte er ernst während er sich mühsam erhob. »Du scheinst dir der Tragweite deiner Handlungen nicht bewusst zu sein.«
Rhys runzelte verärgert die Stirn. »Ich weiß beim besten Willen nicht worüber du dich beklagst. Du warst in meine Pläne eingeweiht als
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