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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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ist?«
    Angesichts von Williams triumphierendem Lächeln kniff Rorik kaum merklich die Augen zusammen. Es war nicht Williams Art, jemanden zu foppen, zweifellos aber ließ er vor seinen Augen einen lockenden Köder baumeln.
    »Seht nicht so fassungslos drein, mein Freund. Denkt Ihr wahrhaftig, ich wüßte nicht, wonach Ihr Euch so sehr sehnt? Ich weiß nur zu gut, Ihr findet Euren Seelenfrieden erst dann, wenn Ihr wieder Euren einstigen Besitz in Händen haltet.«
    »Euch gehört meine Treue«, versicherte ihm Rorik.
    »Das weiß ich wohl«, antwortet ihm William. »Aber im Augenblick brauche ich Euch nicht so dringend an meiner Seite. Ihr könnt Euch Euren Herzenswunsch erfüllen, und wir beide werden aus Eurem Sieg einen Nutzen ziehen. Ich gebe Euch frei, Sir Rorik und Sir Sihtric – nein, ich erteile Euch den Befehl als Euer Lehnsherr –, mit einem Heer von fünfzehn Rittern und hundert Fußkämpfern loszuziehen. Unternehmt alles, was Ihr für nötig haltet, um die Burg von Brix zurückzuerobern, Euerem rechtmäßigen väterlichen Erbe. Sind Brix und seine Ländereien und Vasallen wieder in Eurem Besitz, erhaltet Ihr in der westlichen Region das Amt als mein Stellvertreter. Ihr sollt die rebellischen Ritter im Westen des Landes unterwerfen und Cotentin in meine Befehlsgewalt bringen.«
    William deutete gebieterisch um Ruhe, als Rorik und Sihtric auf die Füße sprangen. »Gemach«, befahl er. »Da ist noch etwas. Sollte Euch dies gelingen, mein guter treuer Freund, ernenne ich Euch zum Comte und überlasse Euch die obere Hälfte von Cotentin.«
    Rorik trat einen Schritt vor und verneigte sich. »Ich werde Euch Cotentin auf einem Silbertablett servieren, mein Herr, ohne eine weitere Belohnung dafür zu verlangen, als Fulk, den Usurpator, töten zu dürfen.«
    »Genau wie ich’s mir dachte«, lächelte William listig. »Ihr werdet Euren Lohn erhalten und Ihr ebenfalls, Sir Sihtric. Ihr seid die einzigen Männer, denen ich es zutraue, daß diese Vipern im Westen Euch nicht zur Abtrünnigkeit verleiten. Obwohl ich Euch, meiner Treu, lieber hierbehalten würde.«
    »Ihr werdet es nicht bereuen, mein Herr Herzog«, versicherte ihm Rorik entschlossen.
    Angesichts der blutrünstigen Miene Roriks und dem grausamen Flackern in den hellen Augen des Nordmanns, war William plötzlich heilfroh, daß er nicht Fulk von Brix hieß.
    Stunden nachdem William gegangen war, hockten Rorik und Sihtric auf dem Boden des Zelts und zeichneten Karten auf den Erdboden ein, wobei sie verschiedene Angriffsstrategien erörterten. Jeder Gedanke ans Schlafengehen oder gar an Müdigkeit waren wie verflogen.
    »Das wird keine leichte Aufgabe«, bemerkte Sihtric ernst. »Brix ist gut angelegt und gut befestigt. Trotz solcher Ungeziefer wie Fulk und seine Gefolgsmänner, können die Mauern nicht so leicht bezwungen werden, und die Burg kann einer Belagerung über Monate standhalten. Die Anzahl der Gefolgsmänner, die William uns gewährt, ist ja nicht gerade hoch.«
    Rorik musterte die grobskizzierte Karte der Mauern, Türme und Verschanzungen, die sie in die Erde geritzt hatten. Brix. Nie war die Burg aus seinen Gedanken oder aus seinem Herzen geschwunden. Seit dem Tag, an dem er sie hatte verlassen müssen, Hals über Kopf, wie ein Hase auf der Flucht vor dem hungrigen Wolf. Noch heute hatte er den Geruch des kalten Seewinds in der Nase, wenn er über die rauhe Küste brauste und um die großen Steinquadern der Burg pfiff.
    Das war vor zehn Jahren. War es tatsächlich schon so lange her? Es schien ihm erst wie gestern, daß er, ein Bürschchen von kaum fünfzehn Jahren, hoch oben im Turmgemach mit dem Blick übers Meer, neben seinen zwei älteren Brüdern schlief. Seit er denken konnte, waren er und seine Brüder innige Gefährten gewesen. Nie war die Spur von Eifersucht auf Thurgood, dem Ältesten, aufgekommen, der den Löwenanteil erben würde. Die beiden jüngeren Brüder wußten, daß jedem von ihnen kleinere Güter aus dem Besitz ihres Vaters zustand. Alle drei Knaben waren der festen Überzeugung, sie hätten das Zeug dazu, ihren Besitz nach Wunsch zu vermehren. Der wahnsinnige Herzog Robert der Teufel war jüngst gestorben und hatte seinen Bastard, einen Knaben von nur sieben Jahren, zu seinem Nachfolger ernannt. Im ganzen Herzogtum herrschte ein Chaos von Krieg und Gesetzlosigkeit. Rorik und seinen Brüdern war klar, nun hatte die Stunde des beherzten Kriegers geschlagen, der zu Reichtum und Macht kommen wollte. Gesetzlosigkeit, so hatte

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