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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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wieder auf, um sich zu vergewissern, daß keiner der Krieger seine Aufgabe auf die leichte Schulter nahm, angesichts dieses schwachen feindlichen Heeres. Alle waren überzeugt, Brix sei uneinnehmbar.
    Aber das Unvorstellbare und viel Schlimmeres traten dennoch ein. Was nicht durch Gewalt besiegt werden konnte, wurde durch Verrat vernichtet. Heute noch, viele Meilen und zehn Jahre von dem Geschehen entfernt, fühlte Rorik wie sein Gesicht vor Zorn brannte, wenn er an diesen Verrat dachte. Der Mensch, dem sein ganzes Vertrauen gehört hatte, war es zu verdanken gewesen, daß Unglück über sie alle hereinstürzte. Und sollte dieser Mensch nach all diesen Jahren noch am Leben sein, würde Rorik grausame Rache üben.
    Das Heer, das außerhalb der Mauern einen so erbärmlichen Eindruck gemacht hatte, verwandelte sich innerhalb des Burghofs zu einem todbringenden Feind. Kein Anzeichen irgendeines Winkelzugs des Verräters hatte den Verdacht jener erregt, die am selben Abend noch im großen Saal tafelten, bis Fulk und seine Günstlinge durch die Türen hereingestürmt kamen. Blut floß wie aus Fontänen. Dunkelrote Lachen sammelten sich auf dem Steinboden und färbte das am Boden ausgebreitete Stroh. Schreie und Flüche erstickten im Gedröhne von klingendem Stahl und dem grausigen Geräusch messerscharfer Waffen, die durch Fleisch und Knochen stießen.
    Rorik erfuhr erst später Genaueres über das Geschehen, denn er hatte sich frühzeitig aus dem Saal mit einer Entschuldigung entfernt, um voller Erwartung seine Waffen zu pflegen und blankzuputzen. Durch das plötzliche Höllenspektakel war er vom Obergeschoß heruntergeeilt, in einer Hand sein Schwert, in der anderen sein Messer. Seine Brust zog sich zusammen beim Anblick, der sich ihm bot. Noch ehe ihm der Entsetzensschrei über die Lippen kam und er den Feind auf sich aufmerksam machen konnte, hatte ihn sein treuer Seneschall in eine dunkle Ecke gedrückt.
    »Es ist alles verloren, Junge, wenn du nicht fliehst. Du bist der letzte der Familie, der noch am Leben ist. Folge mir!«
    So sammelten sie eine kleine Schar erschöpfter und verwundeter Krieger um sich und schlüpften aus der Pforte hinter dem Altar der Burgkapelle hinaus. Im Innen- und Außenhof der Burg herrschte Grabesstille. Der Tod war das einzige, was ihnen begegnete. Stillschweigend bewegte sich der kleine Haufen auf die Schlupfpforte an der östlichen Mauer zu. Sie durchquerten stolpernd den Graben, eilten über den Kampfplatz und ließen sich dann auf Stricken, die Sihtric mit Vorbedacht mitgenommen hatte, über die Palisaden hinunter. Einer der Männer stürzte zu Boden und brach sich ein Bein. Rorik konnte sich noch entsinnen, daß er zwei Wochen darauf an Wundbrand gestorben war.
    »Was ist, Junge, an was denkst du?«
    Roriks schmerzliche Erinnerung an die Ereignisse vor zehn Jahren verblaßten bei den Worten Sihtrics. »Verzeih, ich habe nicht achtgegeben.«
    »Das sehe ich!« Sihtric schnaufte ungeduldig. »Nun, da sich uns die Gelegenheit bietet, auf die wir immer gehofft haben, fängst du Grillen. Sieh her. Wir können uns Brix über Land von hier aus nähern« _ er wies auf ein Gebiet zerklüfteter Berge und schroffer Felsen, die er auf seiner Karte in die Erde geritzt hatte – »oder wir kommen über das flache Land am Fluß St. Claire entlang und rücken von Süden heran. Wie sollen wir vorgehen?«
    Rorik studierte die Karte und ging beide Routen in Gedanken durch. »Es ist besser über das flache Land, auch wenn das hier im Wege steht.« Dabei deutete er auf einen Punkt auf der Karte, der die gut geschützte Stelle zwischen den zusammenlaufenden Flüssen Ste. Claire und Reve darstellen sollte.
    »Das dürfte keine allzugroßen Schwierigkeiten bereiten«, meinte Sihtric. »Sir Geoffrey ist ein edler Mann und vielleicht bietet er uns sogar seine Unterstützung an. Und wenn nicht …«
    Rorik nickte. Um Brix zu erobern, darin waren sie sich einig, mußte erst die Burg von Ste. Claire eingenommen werden.

3
    Alaine starrte unverwandt auf das goldene Kruzifix an der Kapellenwand über Pater Sebastians Haupt. Die Knie taten ihr vom kalten Steinboden weh, ihr ganzer Körper schmerzte vor Anspannung. Der kleine Priester predigte wohl absichtlich langsam. Sie dankte ihm stillschweigend für seine Hilfe, aber nichts könnte sie mehr retten.
    Die Worte des Priesters rauschten an Alaine vorbei, während ihre Gedanken zurück zu den Ereignissen der letzten paar Stunden wanderten. Was hatte sie falsch

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