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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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schüttelte sie die Haare, um sie von dem Laub und den Zweigen zu befreien. Wie würde Gunnor sie jetzt herzhaft auslachen, wenn sie sie jetzt sehen könnte. Gunnor hatte ihr vorausgesagt, sie würde eine Närrin aus sich machen.
    Die Vorstellung ihrer ältesten Stiefschwester mit einem selbstgerechten Feixen im Gesicht löste inmitten ihrer tiefen Niedergeschlagenheit einen Funken des Zorns aus. Gunnor hatte recht gehabt, wenigstens einmal in ihrem Leben. Sie war eine Närrin gewesen. Was würde ihr Vater von ihr denken, wenn er sie jetzt sehen könnte, triefend vor Selbstmitleid, während ein Fremdling Ste. Claire in seiner Gewalt hatte? Er würde sie Schlimmeres noch als eine Närrin heißen – nämlich Feigling und Hasenfuß! Ihr Zorn wuchs bei der Vorstellung, der Schild des Drachens könnte neben dem ihres Vaters über der großen Feuerstelle im Saal hängen. Ihr Kleinmut verflüchtigte sich in der kalten Nacht, als berechtigte Wut ihr Gemüt in Wallung brachte. Sie war nicht besiegt! Blieben die Gefolgsleute bei ihr, dann würde sie diesem eigenmächtigen Drache schon einen Grund geben, Feuer und Flammen zu speien.
     
    In den folgenden Wochen bemühte sich Alaine mit all ihrer Kraft, nicht wieder in ihre alte Niedergeschlagenheit zurückzufallen. Es gab Grund zur Zuversicht, beschwor sie Garin wieder und immer wieder. Gelänge es ihnen, die Wiederherstellung des Burgtores und der Mauern so lange zu verzögern, bis Fulk zurückgekehrt war, vielleicht käme Brix ihnen doch noch zu Hilfe. Je öfter Alaine an Lady Theoda dachte, um so mehr ließ sie die Hoffnung zu, daß sich die Dame möglicherweise in der Einschätzung der Pläne ihres Mannes geirrt haben könnte. Vielleicht würde sich Fulk bei seiner Rückkehr doch noch bereit erklären, ihnen seine Unterstützung anzubieten.
    Alaine setzte jetzt alles daran, die Arbeitstrupps am Burgtor und an den Mauern ununterbrochen mit Pfeilen bei der Arbeit zu drangsalieren, die ihre Leute aus ihren Verstecken im Wald auf sie abschossen. So kamen die Arbeiten an den Burgmauern und dem Tor beinahe zum Stillstand. Der Anblick des klaffenden Lochs im Schutzwall von Ste. Claire ließ Alaine beinahe in Jubel ausbrechen. Sie glaubte immer stärker an einen Sieg.
    Alaine selbst stattete in Begleitung einer kleinen Eskorte den Dörfern und Höfen einen Besuch ab. Das Dorf Ste. Claire lag am anderen Ufer des Russes, direkt gegenüber der Burg. Mit seiner großen steinernen Kirche, seiner beachtlichen Zahl an Werkstätten, den vereinzelten Häusern zwischen den bescheidenen Hütten, gehörte es zu den wohlhabendsten unter den Dörfern des Besitztums Ste. Claire. Hier wollte sie unbedingt als erstes Station machen. Nun lag das Dorf nahe genug an der Burg, die Dorfbewohner hatten also einen guten Ausblick auf die Kämpfe an den Mauern. Sie hoffte daher, dort etwas über den neuen Herrn Drache und seinen Plänen zu erfahren.
    Die Dorfbewohner jedoch hatten nichts weiter zu berichten, als daß der Name des neuen Herrn Sir Rorik sei. Er hätte das Dorf schon aufgesucht, erzählte man ihr. Er schien ein zuvorkommender Herr zu sein. Seinen Gefolgsmännern hatte er Plündern und Vergewaltigen verboten. Dafür hatte er einige der jungen Männer zwangsweise dazu verpflichtet, an der Wiederherstellung der Mauer mitzuarbeiten. Ein ängstliches Aufheulen erscholl, als Alaine ihr Vorhaben erklärte, aber letztendlich gaben sie ihr das Versprechen, sich mit ihr, der rechtmäßigen Herrin, zu verbünden. Ste. Claire, seit drei Generationen im Besitz ihrer Familie, hatte stets seine Leibeigenen und Sklaven gütig behandelt. Schließlich obsiegte die Treue des Untertanen über die Angst.
    Fünf weitere kleinere Dörfer sowie zahlreiche Höfe waren Ste. Claire gegenüber abgabenpflichtig. Alaine suchte sie alle einzeln auf. In jedem Dorf, an jedem Hof brachte sie ihre Bitte vor, sich auf ihre Seite zu schlagen, denn nur sie sei die rechtmäßige Herrin von Ste. Claire. Zahlt keine Steuern oder Abgaben an den neuen Herrn, beschwor sie die Leute und weigert euch, seiner Aufforderung Folge zu leisten, auf dem persönlichen Besitz des Grundherrn zu arbeiten. Sie und ihre Mannen würden ihnen allen Schutz gewähren, der in ihrer Macht stand. Sie würde dafür Sorge tragen, sie reich zu entlohnen, wenn die Burg einmal wieder in ihrem Besitz wäre.
    Ihr Selbstvertrauen wuchs in dem Maße wie ihr kleines Heer. Jeden Tag traten tüchtige Männer aus den Dörfern hinzu und vermehrten schnell die Zahl ihrer

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