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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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Schwert zu ziehen. Metall kratzte gegen die Schwertscheide. Die Totenstille war gebrochen. Die Ritter drangen vor. Frauenschreie gellten. Männer stießen Flüche aus und eilten zu ihren Waffen. Alaine blieb einfach stehen. Sie konnte den Blick nicht von dem Bild des Drachens lösen, das in dem schauerlichen Nebel zum Leben erwachte. Er schien mit den Krallen zu schlagen und zu reißen, sich in rasendem Zorn aufzubäumen und blutrünstig zu fauchen.
    »Fort, um Himmels willen!«
    Garin packte sie am Arm und stieß sie beinahe um, ehe sie aus ihrem entrückten Zustand erwachte und ihre Beine in Bewegung setzte. Die Reiter preschten durch das Lager. Schmerzensschreie, Zorngebrüll, das Klirren von Metall auf Metall erfüllte die kleine Lichtung.
    »Lauft!« schrie Alaine ihren Leuten zu. »Nicht kämpfen! Lauft!«
    Alles in ihr schrie verzweifelt nach Flucht. Sie fühlte, wie die Augen Drachens nach ihr spähten. Dann hatte er ihren hellen Schopf zwischen dem Gewühl der Männer und Pferde entdeckt. Sie sah, wie er sich herandrängte. Sein Gesicht, zwar von der Kettenhaube und dem Helm halb bedeckt, hatte in ihrer Vorstellung den Ausdruck unerbittlicher Entschlossenheit.
    »Fort hier, Garin!«
    Sie stieß den Knappen in das nächstliegende Gebüsch und folgte ihm hinterher. Nur Rorik war ihnen auf den Fersen. Sie tauchten im dichten Gestrüpp unter. Im Wirrwarr des Gehölzes war für ein Pferd kein Durchkommen. Aber Rorik versuchte es dennoch. Ein lautes Knacken hinter ihnen verriet, daß er sie zu Fuß verfolgte. Seine Schritte wie ihre wurden von einem unüberhörbaren Geräusch aus knickenden Ästen und dem Rascheln verwelkter Blätter begleitet.
    Garin zerrte sie durch ein besonders dorniges Buschwerk das steile, vom Dickicht überwucherte Bachufer hinunter. Er bedeutete ihr, stillzuhalten. Rorik bahnte sich weiterhin den Weg hinter ihnen her. Sie schloß die Augen und richtete ein stummes Stoßgebet an irgendeinen Heiligen, der sie zu hören bereit war. Das Knacken verstummte. Nur ein Fluch ertönte noch. Alaine vergrub ihren Kopf in Garins Schultern. Sie wagte nicht einmal zu atmen. Doch die Geräusche wurden immer leiser. Er befand sich auf den Weg zurück ins Lager.
    Sie verharrten einige Zeit in ihrem sicheren Versteck, noch lange nachdem der Laut von Roriks vorbeiziehenden Schritten verklungen war. Garin sprach als erster.
    »Er hat aufgegeben«, hauchte er.
    »Der nicht«, widersprach Alaine. »Der gibt nicht eher auf, bis er uns gefunden hat. Denkt an meine Worte.«
    »Dann müssen wir fliehen«, meinte Garin, der ihr bereitwillig Glauben schenkte. »Wir kreisen um das Lager in Richtung Koppel. Wenn wir Glück haben, können wir zwei Pferde herausholen und uns auf den Weg machen. Sie werden auf keinen Reiter achten, ehe sie nicht alle Versprengten eingefangen haben.«
    Sie knirschte verzweifelt mit den Zähnen. »Ich kann diese Menschen nicht einfach ihrem Schicksal überlassen. Sie sind mir gefolgt. Sie haben mir ihr Vertrauen geschenkt.«
    »Glaubt Ihr etwa, ihnen helfen zu können?« fragte Garin mit einem zynischen Unterton, der neu war. »Glaubt Ihr etwa, er verschont ihr Leben, wenn Ihr Euch ergebt? Warum sollte er? Diese Menschen lieben Euch, Alaine«, beschwor er sie. »Sie wußten, was ihnen bevorstand, als sie Euch hierher folgten. Sogar die Burgritter. Ihr habt ihnen die Wahl gelassen. Und sie sind trotzdem gekommen. Wenn Ihr euch jetzt ergebt, verspielt Ihr das Leben dieser Menschen.«
    Tränen quollen ihr aus den Augen. Sie wischte sie fort und verfluchte dabei ihre weibliche Schwäche. »Ihr habt fraglos recht. Verzeiht, daß ich wie eine Frau weine. Gehen wir.«
    Der Nebel hatte sich in einen eiskalten Schauer verwandelt. Der Boden war glitschig, als sie vorsichtig die Koppel umkreisten. Sie lagen hinter einem dicken abgestorbenen Baumstumpf an einem Ende der Koppel geduckt. Vorsichtig lugte Alaine über die zersplissene Oberfläche des Baumstumpfes. Sie hatte damit gerechnet, die Erde übersät mit den Leichen jener Männer und Frauen zu sehen, die ihr auf das tollkühne Unternehmen gefolgt waren. Statt dessen erblickte sie einen zerlumpten und gefesselten Menschenhaufen inmitten des Lagerplatzes. Vier Soldaten zu Pferd wachten über die erbitterte Menge. Sie stießen im Wortwechsel mit den gefangenen Männern Drohungen und Beleidigungen aus und machten den Frauen gegenüber anzügliche Bemerkungen.
    »Los«, flüsterte sie.
    Langsam krochen sie auf die Pferde zu, wobei sie geschickt die

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