Die Herrin von Sainte Claire
zukünftiges Wohlergehen keine Hand ins Feuer legen kann.«
»Aber … mein Herr … gab es einen Kampf? Wie seid Ihr entkommen?«
»Als Kampf würde ich es nicht bezeichnen.« Ein leise belustigter Ton machte seine Stimme zum ersten Mal um eine Spur freundlicher. »Sihtric und ich waren so töricht gewesen, uns von den Halunken Eurer Stieftochter überfallen zu lassen. Das Gesindel brachte mich ausgerechnet mit Steinen zu Fall. Und ein ganzer Ast war nötig, um den armen Sihtric zu Boden zu bringen.«
»Aber wie …?«
»Ach, Eure arme kleine Alaine war sehr zuvorkommend. Sie hielt ihre Mordbuben davon ab, uns die Kehle aufzuschlitzen, so gerne sie dies auch getan hätten. Dann schlug sie einen Wettkampf vor- in der Gewißheit, als Siegerin hervorzugehen. Aber das Frauenzimmer hat eine böse Überraschung erleben müssen. Ich gewann, also mußte sie mich ziehen lassen. Sie hatte ihr Ehrenwort gegeben und hielt es auch. Teilweise zumindest. Mir scheint, sie hat für eine Frau ein bemerkenswertes Ehrgefühl.«
Gunnor hatte seinem Bericht über Alaines Hochmut aufmerksam zugehört. Nun lächelte sie mit unverhohlener Schadenfreude. »Ihr habt Alaine im Bogenschießen besiegt? Wie wunderbar! Das muß sie von ihrem hohen Roß heruntergeholt haben! Die Elende bildet sich ein, unbesiegbar zu sein.«
»Beinahe ist sie es auch«, gab Rorik zu.
In seiner Stimme klang leise Anerkennung, worauf Gunnor ihre Augen zusammenkniff. Sie rümpfte geringschätzig die Nase. »Was anderes ist auch nicht zu erwarten, mein Herr, da sie über eine gewisse Fertigkeit verfügt. Alaine verbringt ihre ganzen Tage damit, sich darin zu üben, wie ein Mann zu werden. Sie hält sich für zu gut, um die Arbeit der Frauen zu erlernen. Sie weiß rein gar nicht, wie man mit einem Mann umzugehen hat.« Ihr schwüler Blick bedeutete Rorik, daß sie hingegen sehr wohl Bescheid wüßte, wie ein Mann zu behandeln sei.
Roriks Mund schmälerte sich verdrossen. Lady Joannas älteste Tochter war auf ihre üppige Art recht anziehend. Aber ihr klettenhaftes Wesen und ihre geziertes Getue konnte jeden Mann rasend machen.
Joanna bemerkte den Ausdruck seiner Augen. »Gunnor«, bemerkte sie knapp. »Woanders warten noch Pflichten auf dich, denke ich.«
Gunnors schwüler Blick wandelte sich in Trotz.
»Verlaß uns«, wiederholte Joanna. »Sir Rorik und ich haben einiges zu bereden.«
Gunnor entschwebte beleidigt durch die Tür und ließ die beiden schweigend zurück. Rorik rutschte tiefer in den Zuber und genoß die Abwesenheit des Mädchens. Seine unwirsche Laune löste sich beim Baden in Nichts auf. Der Duft von Speisen, die die Küchenmagd vor einigen Minuten hereingetragen hatte, trug noch weiter zur Verbesserung seiner Laune bei.
»Wenn Ihr meinen Rücken schrubben würdet, Mylady, dann könnte ich mich danach erheben und mich über die Speisen hermachen, die so verlockend auf dem Tisch winken.«
Joanna nahm ein Tuch und tat wie ihr geheißen. »Mein Herr«, sagte sie mitten im Schrubben. »Ich wünschte, Ihr würdet das mit Alaine verstehen.«
Er verzog das Gesicht. »Was gibt es da zu verstehen? Das Mädchen ist eine gesetzlose Rebellin gegen ihren rechtmäßigen Herrn.«
»Ihr müßt verstehen, wie sie erzogen worden ist, mein Herr. Sie ist ein gutes, liebes junges Mädchen, gewiß. Sie braucht nur …!«
Rorik schnaubte argwöhnisch. »Gewiß ist Eure Stieftochter ein Vorbild an Schicklichkeit, wenn sie nicht gerade durch die Wälder wie ein boshafter kleiner Waldkobold herumgeistert.«
Joanna seufzte bedrückt und reichte Rorik ein Handtuch, als er sich aus dem abgekühlten Wasser erhob. »Ich verstehe es einfach nicht, warum sie weiterhin diesen aussichtslosen Kampf führt. Ich war fest davon überzeugt, sie würde mit ihren Gefolgsleuten aus dem Wald zurückkehren, sobald sie erführe, daß sie Euch Vasallenpflicht schuldet.«
Rorik war überrascht. »Sobald sie erführe … Wollt Ihr damit sagen, sie weiß es nicht?«
Bestürzt sah ihn Joanna an. »Ihr habt es ihr nicht gesagt?«
»Ich nahm an, sie wüßte es, zum Teufel!«
»Wie denn, mein Herr? Wir waren in einer verzweifelten Lage, als Euer Heer heranrückte. Niemand kannte Euer Wappen. Alaine war schon fort, ehe wir wußten, daß Ihr der rechtmäßige Vicomte de Brix seid. Sie war der Meinung … wir alle waren der Meinung, es handelte sich bei Euch um einen weiteren Abenteurer, der darauf erpicht wäre, ihre Ländereien zu rauben und sie zur Heirat zu zwingen.«
»Sie zur
Weitere Kostenlose Bücher