Die Herrin von Sainte Claire
weitere Fragen zu stellen. Wenigstens nicht solange der Ärger sein Gesicht verdüsterte.
»Lord Rorik!« Joanna traf sie am unteren Burgtor. »Ihr seid wieder zurück!«
»Sehr wohl, das bin ich. Habt Ihr etwas anderes erwartet, Mylady?«
Verwirrt stammelte sie etwas vor sich hin, ohne sich das mißtrauische Glitzern in Roriks Augen erklären zu können. »Wir haben uns Sorgen gemacht«, fügte sie etwas lahm hinzu.
»Ich wette, Ihr sagt die Wahrheit!« stichelte Sihtric. »Die Frage ist nur, um wen habt Ihr Euch Sorgen gemacht?«
Joanna reckte ihren immer noch ranken Leib und durchbohrte den blonden Hünen mit einem vernichtenden Blick. »Gewiß nicht um Euch, Ihr Riesenochse! Meine Sorge galt allein Sir Rorik.«
Sihtric wölfisches Grinsen legte kräftige, weiße Zähne bloß. »Was soll das heißen?«
Mit Gunnor, die auf sie zueilte, fiel eine weitere Stimme in den Chor der Willkommensgrüße ein. »Lord Rorik! Oh, mein Herr! Ich habe ja so um Eure sichere Rückkehr gebetet!« Ihr neckisches Lächeln, das sie ihm beim Betreten des Saals zuwarf, verschlechterte Roriks Laune zusehends.
Joanna wandte ihren wütenden Blick von Sihtric ab und eilte mütterlich besorgt an Roriks Seite. »Der Hauptmann sagte, Ihr hättet die Diebe erschlagen. Die Ihr nicht getötet habt, sollt Ihr in die Flucht geschlagen haben. Habt Ihr … waren es …?«
»Das Räuberpack, das in den Dörfern wütete, hat nichts mit Eurer Stieftochter zu tun«, erklärte Rorik mit schwindender Geduld. »Ich denke, diese Bande wird uns nicht mehr belästigen.«
»Mylord …?« Der Hauptmann buhlte mit dem Frauen um Roriks Aufmerksamkeit
»Später unterhalte ich mich mit Euch, Hauptmann. Seht, ob die Rüstungen der Männer in Ordnung sind und ihre Waffen eingefettet und blankgeputzt.«
»Habt Ihr vor, bald wieder auszureiten, Mylord?«
»Das habe ich. Aber im Augenblick habe ich einzig und allein vor, die Waffen abzulegen und mich in einem warmen Bad einzuweichen. Mylady«, er wandte sich an Joanna, »hättet Ihr die Güte?«
»Selbstverständlich, Sir Rorik«, erwiderte Joanna, der sein Gesichtsausdruck gar nicht behagte. Sie winkte einen Diener herbei und bestellte ein heißes Bad.
»Und Essen. Ich will ein anständiges, kräftiges, warmes Essen. In meiner Kammer. Jetzt.«
Die Diener stoben in alle Windrichtungen, um Roriks Wünsche zu erfüllen, wobei sie angespornt durch den bedrohlichen Ton seiner Stimme, eine ungewöhnliche Eile an den Tag legten.
Joanna und Gunnor begleiteten Rorik in seine Kammer. Joanna war dem Ritter beim Entkleiden behilflich. Sie zog das schwere Kettenhemd über seinen Kopf und seine Schultern, während Gunnor das Gesinde zu größerer Eile antrieb, die gerade Eimer voll heißen Wassers in den Zuber vor der Feuerstelle gossen. Sie prüfte mit einem kreisenden Finger die Temperatur des Wassers. Dann warf sie Rorik einen verstohlenen Blick zu, der sich soeben entkleidete. Sie war nur allzu bereit, den Pflichten einer Burgfrau nachzukommen und sich um ein ordentliches Bad für den Herrn zu kümmern. Es wäre ein wunderbarer Genuß mit eingeseiften Händen über die glatten Muskeln seiner starken Brust und seines straffen Bauches zu fahren – und vielleicht noch etwas tiefer. Vielleicht diesmal, überlegte sich Gunnor, würde es nach ihren Vorstellungen enden.
Ängstlich besorgt kümmerte sich Joanna um das geronnene schwarze Blut, das an Roriks Kettenhemd klebte. Sie nahm sich vor, Timor anzuweisen, die Rüstung spiegelblank zu putzen. Eigentlich war der Bursche viel zu jung für derlei Aufgaben. Sie wünschte, Garin wäre bei Roriks Ankunft zugegen gewesen.
Rorik sank erleichtert in den Zuber voll heißem Wasser und warf der reiferen Frau einen dankbaren Blick zu. Mit einer gereizten Handbewegung hingegen, wies er Gunnors eifrig-bemühte Hilfe beim Baden von sich. »Fragt Ihr Euch nicht, Madame, was mich so lange in den Wäldern aufgehalten hat?«
»Seid Ihr noch mehr Geächteten begegnet, mein Herr?« fragte Joanna zögerlich.
Rorik setzte ein schiefes Lächeln auf. »So kann man es auch nennen. Ich habe diese Nacht im Genuß der Gastfreundschaft Eurer Stieftochter verbracht, um die Ihr Euch so große Sorgen macht – auf der nackten Erde, wie ein Schlachtschwein gefesselt, ehe man es am Spieß brät.«
Joannas Augen wurden groß. Wieder sah sie auf die Blutspuren an Roriks Kettenhemd.
»Nicht ihres«, sagte Rorik, als er bemerkte, worauf ihr Blick ruhte. »Sie ist wohlauf. Obwohl ich für ihr
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