Die Herrin von Sainte Claire
Gedanken verbannen, Mylord? Ihr, der Ihr mein Land genommen, mich gegen meinen Willen zu Eurer Frau gemacht habt, der mich wie eine Buhlerin behandelt, wenn Euch die Begierde packt und wie eine nichtswürdige Fremde, wenn Eure Lust gestillt ist.«
»Ich bringe Euch alle Hochachtung entgegen, die einer Ehefrau gebührt.«
»Tut Ihr das?« fragte sie bitter. »Meint Ihr, unsere Gäste sehen nicht die Verachtung für mich durch die kalte Maske dieses Respekts?«
Roriks Züge wurden hart und unerbittlich. Mit einer heftigen Bewegung drehte er ihr Gesicht zu sich. »Hört mit dem Gezänk auf, Weib! Ich sage es ohne Umschweife, ich habe großen Respekt vor Frauen, so wie ich Respekt vor dem Eber habe, der durch den Wald streift – schlau, aufgeweckt, hinterlistig und gefährlich. Ein Mann, der solch ein Geschöpf nicht achtet, endet damit, daß ihm die Eingeweide und das Herz aus dem Leib gerissen werden.«
Alaines Augen wurden groß angesichts der Heftigkeit, mit der er seine Erklärung vortrug. Die Tatsache, mit diesem Mann Liebkosungen ausgetauscht zu haben, erfüllte sie mit einem Gefühl der Erniedrigung.
»Ich schäme mich, daß ich mich Eure Frau nenne«, erwiderte Alaine kalt.
»Ist dem so?« antwortete er mit einem schiefen Lächeln. »Mir scheint eher, Ihr genießt Eure Pflichten als Ehefrau sehr wohl, wenn Ihr Euch schnurrend unter mir in jenem Bettlager suhlt.«
»Das reicht!« Sie fächerte mit den Händen hin und her in einer verneinenden Geste. »Ich werde nicht das Bett mit einem Mann teilen, der mich für ein boshaftes Geschöpf hält, deren Reize nur als Falle für das unschuldige Opfer angesehen werden. Ihr könnt Euer Vergnügen bei den Dienstmägden suchen, oder wer immer Euch auch haben will. Die hübschen Küchenmägde fühlen sich kalt und einsam, seitdem Ihr mein Bett aufgesucht habt. Kehrt zurück zu ihnen!«
Alaine stürmte die Treppen hinunter in das Getriebe des Saals. Sie suchte Zuflucht an ihrem Lieblingsplatz. Auf Burg Ste. Claire wurde den Hundezwingern beinahe ebenso viel Aufmerksamkeit gewidmet wie den Stallungen, denn Sir Geoffrey hatte seinen Jagdhunden viel Liebe entgegengebracht. Alaine stieß die Tür zu dem niedrigen Gebäude aus Stein auf und zündete eine Talgkerze an. Ein Chor aus freudigem Gebell, Jaulen und Heulen scholl ihr entgegen. Sie ging die Hundezwinger entlang und begrüßte jeden Hund mit Namen. Ihr bevorzugtes Tier, ihr ganz besonderer Liebling, die sanftäugige Hündin Mallie, hob sie sich als letzte auf.
»Schon gut, Mallie.« Ihre Stimme senkte sich einem leisen Gurren, als die junge Hündin gegen den Zaun des Zwingers ansprang. Sie streichelte die samtigen Ohren und fuhr zärtlich über ihren schlanken, sehnigen Rücken. »Bald werden diese Fremden alle fort sein, dann können du und deine Freunde zwischen den Tischen herumtollen, mein Liebling.«
»Sie ist eine hübsche Hündin.«
Beim Klang der Stimme fuhr Alaine zusammen. Sie wandte sich um und atmete auf, als sie die Umrisse Sihtrics vor dem dämmerigen Licht des Türrahmens erblickte.
»Ein wohlgenährtes Rudel«, bemerkte Sihtric. »Trotzdem ist es wohl etwas seltsam, daß die frischvermählte Braut die Gesellschaft der Hunde vorzieht, während Gäste und Bräutigam im Saal feiern.«
Alaine zog die Brauen zusammen. Ohne zu antworten, drehte sie sich wieder um und begann erneut die schwanzwedelnde Mallie zu streicheln.
»Wäre es möglich, daß nicht alles mit jenem Herrn und Meister drüben so gutgeht?«
Alaine schnaubte verächtlich. »Dieser eigensinnige, dickköpfige Schurke!«
»Es gab wohl Streit, wie?« erkundigte sich Sihtric vorsichtig.
»Dieser Laffe spricht nur Unsinn. Sein Verstand ist mit Vorurteilen vernagelt, und sein Kopf ist unrettbar verworren.«
Sihtric lächelte verständnisvoll. »Findet Ihr ihn so übel?«
»Schlimmer!« erklärte Alaine. »Ihr seid ein tapferer Krieger mit einem wachen Verstand. Wie kommt es, daß Ihr so einem Laffen folgt?«
»Dieser Laffe steht unter meiner Obhut, seitdem er ein junges Fohlen ist«, grinste er. »Ich habe ihm beigebracht, wie man auf ein Pferd aufsitzt und das Schwert führt, wie man die Lanze hält und die Streitaxt schleudert.« Er hob die gefährlich-aussehende, doppelseitige Streitaxt an seiner Hüfte, die er niemals ablegte.
»Und habt Ihr ihm auch beigebracht, das schwache Geschlecht zu hassen?« fragte sie bitter.
»Nein«, antwortete Sihtric düster. »Das hat ihm jemand anderer beigebracht. Und sie hat es gründlich
Weitere Kostenlose Bücher