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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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getan.«
    »Eine Liebesgeschichte?« fragte sie verächtlich. Dabei hätte sie nur allzugerne erfahren, wie jener Rorik, den sie kannte, sich je mit seinem versteinerten Herzen für die Liebe hätte erweichen können.
    »Nein«, antwortete Sihtric. »Er war nicht der Liebhaber. Er war der Sohn.«
    Alaine ließ von Mallie ab und heftete einen forschenden Blick auf den Nordmann. »Erzählt sie mir«, sagte sie.
    »Es ist eine böse Geschichte, Mylady.«
    »Ich, von allen Menschen, habe das Recht, sie zu hören.«
    »Ja. Das habt Ihr. Aber ich denke, es ist nur recht, wenn Ihr sie von Eurem Mann erfahrt.«
    Alaine lachte bitter. »Von dieser Steinsäule? Er spricht nur dann mit mir, wenn er mich und alles, was ich tue, mit bösen Worten angreift. Meint Ihr denn wirklich, er würde sich so erweichen lassen, um über diese Dinge zu sprechen?«
    »Dann sollte die Geschichte lieber dort begraben bleiben, wo sie hingehört, in der Vergangenheit.«
    »Aber sie gehört ja nicht nur der Vergangenheit an, nicht wahr? Rorik schleppt sie mit sich herum und hegt seinen Haß wie eine offene Wunde. Wie kann ich gegen diese üble Sache ankämpfen, wenn ich nicht einmal weiß, was es ist?«
    Seufzend lehnte sich Sihtric gegen eine Steinsäule. »Wollt Ihr den Kampf aufnehmen, Mylady?«
    »Ja«, gab sie eifrig zurück. »Der Rorik, den ich in den Augenblicken erlebe, wenn ihn der Teufel nicht reitet, ist ein Mann, für den es sich zu kämpfen lohnt.«
    Die Hunde verstummten. Sihtric blickte sie mit durchdringendem, forschendem Blick an. Er schien bis in ihre Seele vorzustoßen, um ihre Stärke zu prüfen, ob sie es würdig war, in Roriks Seelenschmerz eingeweiht zu werden. Einen langen Moment blickten sie sich fest in die Augen. Dann lächelte der Nordmann sie wie einen Gefolgsmann vor einer schweren Schlacht an.
    »Roriks Mutter war eine wunderschöne Frau«, begann er. »Ich kann mich sehr wohl an sie erinnern. Groß und stattlich, wie Eure Stiefmutter Joanna. Stets waren ihre Hände mit Frauenarbeit beschäftigt. Ihre Talente schienen unerschöpflich. Auf jedwedem Saiteninstrument, mit denen die Minnesänger in den Saal traten, spielte sie mit unübertroffener Meisterschaft. Ihre Stimme war engelsgleich. Zum Burgvolk war sie sanft und großzügig. Kein kranker Säugling auf Brix, den sie nicht mit ihren Heilkünsten pflegte. Kein Kind, das je um eine Süßigkeit bettelte und dabei leer ausging. Stets war der Saal in geordnetem Zustand. Die Dienstleute verehrten sie. Jedermann verehrte sie.«
    Alaine sah ungläubig drein. »Und wie konnte so ein Engel ihrem Sohn einen so teuflischen Haß beibringen?«
    Sihtric schüttelte sein Haupt. »Dies ist keine so glückliche Geschichte, wie es den Anschein hat. Roriks Vater, Sir Stephen, liebte seine Frau über alle Maßen. Aber er war ein harter Mann von aufbrausendem Wesen. Wie sein Vater und sein Großvater vor ihm, übermannte ihn leicht der Zorn. Man hatte ihm beigebracht, Sanftmut sei eine Schwäche und daß ein Mann hart durchgreifen muß, um sein Haus in Ordnung zu halten. Er schlug Lady Theoda nicht sehr oft, aber er tat es gründlich, wann immer sie eigenständige Gedanken äußerte, die ihm nicht behagten, oder sie es wagte, sich seinem Willen zu widersetzen. In seinem Zorn verletzte er sie mehr als nur einmal. Und langsam verwandelte sich ihre Sanftmut in Furcht.«
    »Lady Theoda?« fragte Alaine. »Auf Brix gibt es noch eine Lady Theoda. Fulks Frau. Ich erbat ihre Hilfe, um Ste. Claire zurückzuerobern.«
    Sihtric lächelte traurig. »Soso. Ich habe mich gefragt, wie es der Dame wohl ergangen ist.«
    »Es kann sich nicht um dieselbe handeln«, wies Alaine ab. »Die Frau, die ich sah, war ein eingefallenes, altes Weib. Ihr Verstand, so schien mir, schwebte in Gefilden, wohin sich gewöhnliche Menschen nicht hinbegeben.«
    »Es ist schon dieselbe«, versicherte ihr Sihtric. »Theoda wurde es langsam überdrüssig, ständig in Angst vor ihrem Herrn zu leben. Oder vielleicht wurde sie es einfach überdrüssig, mit einem Mann zu leben, der niemals ein Wort oder eine Geste der Zärtlichkeit an sie richtete, nach denen sie sich so sehr sehnte. So nahm sie sich denn einen Liebhaber. Doch dieser Liebhaber wollte mehr als ihre Gunst. Eines Morgens im Frühling, während ihr Mann und ihre drei Söhne in ihren Betten schliefen, öffnete sie das Burgtor von Brix für das Heer ihres Geliebten. Fulk hatte tags zuvor seine Mannen vor den Mauern aufgestellt, doch niemand hatte sich darüber

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