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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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sich die Würmer über die Wolle im Lagerraum hermachten. Joanna, Gunnor und Mathilde saßen jeweils vor einem Haufen Faserbündel, den Judith mit ihren kleinen Fingern von Stroh, Gras und Zweigen befreit hatte. Nun lernte Judith unter der geduldigen Anleitung Mathildes, die Bündel auf den Spinnrocken zu ziehen.
    »Es ist kalt, auch wenn die Sonne scheint«, bemerkte Gunnor, während sie etliche locker gerollte Wollbündel neben Alaines Spinnrad legte. »Der Winter scheint schließlich doch auf uns zuzukommen.«
    »In der Tat«, stimmte ihr Alaine zu.
    »Ich habe die Rückkehr deines Mannes und seiner Freunde eigentlich früher erwartet.«
    »Rorik tut, was ihm gefällt«, antwortete Alaine und begegnete standhaft Gunnors Blick. »Noch soviel Klagen könnten ihn nicht an meine Seite holen, auch wenn ich ihn dort haben wollte. Ich schlage vor, auch du solltest dir die Tugend aneignen, deine Zunge im Zaum zu halten.«
    »Gunnor, mein Liebes«, unterbrach sie Joanna und tat so, als hätte sie das Wortgeplänkel nicht gehört. »Begleite mich in die Küche, um nach den Vorbereitungen für das Abendmahl zu sehen. Maudie ist seit der Abwesenheit des Hausherrn etwas nachlässig geworden.« Sie zwinkerte ihrer Stieftochter verschwörerisch zu. »Wir sehen dich bei Tisch, Alaine. Mathilde, bitte behalte Judith im Auge. Sie stellt ein wüstes Durcheinander am Spinnrocken an.«
    Die Stimmung hellte sich auf, als Gunnor den Raum verließ. Mathilde strahlte Alaine an. »Ich habe mich schon gefragt, wie lange du noch ihr Gefasel ertragen würdest. Seit der Hochzeit tut sie nichts weiter, als zu sticheln und sich zu beklagen. Meinst du wirklich, sie glaubt, Rorik habe mit dem Gedanken gespielt, sie zu heiraten?«
    Alaine hielt das Rad inne und entfernte die volle Spindel. »Ich glaube nicht, daß Gunnor irgend jemanden heiraten möchte. Ich glaube, sie weiß überhaupt nicht, was sie will.«
    »Nun«, antwortete Mathilde mit gewisser Genugtuung, »du hast sie jedenfalls in ihre Schranken verwiesen. Das war auch Zeit.«
    »Vielleicht ist sie erst dann zufrieden, wenn sie einen Mann bekommt und wieder ihre eigene Herrin sein kann.«
    Mathildes zartes, rundes Gesicht versteinerte sich für einen kurzen Augenblick. Forschend blickte sie zu Alaine. »Ist Rorik sehr erpicht darauf, uns einen Ehemann zu suchen, um nicht mehr die Verantwortung für uns zu tragen?«
    Alaine hörte einen besorgten Ton aus der Stimme ihrer Stiefschwester heraus. »Ich denke nicht, daß er irgend jemanden loswerden will. Ich meine, er denkt nicht einmal daran, dir und Gunnor einen Ehemann zu suchen, bis er sein Vorhaben in Brix erledigt hat.«
    Mathilde schien sichtlich erleichtert.
    »Bist du so abgeneigt gegen eine Heirat?«
    »Aber nein«, versicherte ihr Mathilde hastig. »Wahrhaftig, mir liegt viel daran zu heiraten. Es ist nur … na ja …« Sie senkte ihr Haupt, um zu verbergen, wie das Blut ihr in die Wangen schoß. »Ich brauche deine Hilfe, Alaine.«
    Alaine fühlte, wie die Angst in ihr hochstieg. Von allen Menschen auf der Welt, stand die liebe Mathilde an erster Stelle, die sie glücklich sehen wollte. Sie ahnte schon die Schwierigkeit, die auf sie zukommen würde, und war ganz ohne Hoffnung, je helfen zu können.
    »Es handelt sich um Garin, nicht wahr?«
    »Ach, Alaine!« Leise weinend, bemühte sich Mathilde, ja nicht die Aufmerksamkeit der anderen im Raum auf sich zu lenken. »Ich liebe ihn ja so! Ich habe ihn vom ersten Augenblick an geliebt. Könntest du nicht bei Rorik ein Wort für uns beide einlegen?«
    Alaine seufzte betrübt. »Liebe Mathilde. Liebe hat nichts mit Ehe zu tun«, sagte sie und wiederholte dabei haargenau Roriks Worte. »Und ich habe sehr wenig Einfluß auf Rorik.«
    »Bitte!«
    Alaine erinnerte sich, was sie Garin schuldete. Zudem empfand sie große Zuneigung für Mathilde, die seit dem ersten Tag auf Ste. Claire eine treue und liebende Schwester gewesen war.
    »Ich kann es versuchen«, räumte sie widerstrebend ein. »Aber du mußt abwarten, bis ich es für den rechten Zeitpunkt halte und mir versprechen, nichts Unbedachtes zu unternehmen.«
    Mathilde war außer sich vor Freude. »Alles! Ich würde alles tun! Ach, Alaine, ich liebe dich mehr, als ich es je in Worte fassen könnte. Ich wünschte mir, du wärst meine leibliche Schwester, statt meine Stiefschwester! Du bist der wunderbarste Mensch, den Gott je erschaffen hat!«
     
    Rorik und seine Jagdgesellschaft kehrten erst am späten Abend zurück. Sie brachten einen

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