Die Herrlichkeit des Lebens
dass er mit Abstand ihr gelehrigster Schüler sei. Aus der Ferne könnte man Puah für die Schwester von Tile halten, fast ist Dora stolz, dass der Doktor Puah gefällt, sie ist nicht eifersüchtig, oder nur ein wenig, auch auf Tile ist sie anfangs eifersüchtig gewesen, aber dann stand er bei ihr in der Küche und wollte nur sie.
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S EIT SIE WEIß, DASS ER DEMNÄCHST ABREIST, ist sie eher still. Der Doktor hat ihr mehrfach versichert, dass alles beschlossen ist, trotzdem ist er unruhig und voller Zweifel. Er hat seit Tagen kaum geschlafen, er hat Kopfschmerzen, was durch einen Ortswechsel ja nicht unbedingt besser wird, vielleicht noch nicht mal das Wetter, zumal es sich auch hier endlich zu bessern scheint, am Nachmittag sind sie noch einmal alle am Strand. Warum also bleibt er nicht? Zu Dora sagt er: Es ist auch wegen Berlin. Denn wie auf der Hinfahrt möchte er kurz nach Berlin, nur etwas schnuppern und durch das eine oder andere Viertel spazieren, und wenn er in ein paar Wochen bei Kräften ist, kommt er zurück für immer. Es ist ihr drittletzter Tag, er ist müde, Dora fährt ihm mehrmals über Stirn und Schläfen, er spürt, wie traurig sie ist, für den Abend im Heim hat er bereits abgesagt.
Er fürchtet, er wird eine Enttäuschung für sie sein. Er verlässt sie, er kann nicht sagen, was wird, allein das ist eine Enttäuschung. Nein, sagt sie. Hör auf. Später sitzt sie mit gekreuzten Beinen vor ihm im Sand, sie lächelt, etwas fragend, denn es ist das letzte Mal, dass sie hier sitzen, es ist angenehm warm, Dora findet es herrlich, fast wie Anfang Juli, in den Tagen, bevor er sie entdeckte.
Obwohl er noch nicht gepackt hat, ist ihm das Zimmer bereits fremd. Erst gestern hat er hier am Tisch an Tilegeschrieben und vor Tagen eine Karte an die Eltern, aber sonst im letzten Monat so gut wie nichts, etwas Tagebuch, aber auch das nur halbherzig, ein paar Skizzen, in denen Dora nicht vorkommt. Seit Tagen liegt ein Brief von Robert da, der jammert, dass er krank sei oder es sich einbildet. Sonderlich bedauern mag ihn der Doktor nicht, stattdessen jammert er in seiner Antwort selbst, Kopf und Schlaf seien schlecht, Montag fahre er von hier fort. Er könnte wenigstens ihren Namen nennen, aber stattdessen redet er von der Kolonie und seinem Status als Gast, der leider nicht eindeutig sei, weil sich mit der allgemeinen Beziehung eine persönliche kreuze. Auf diese Weise immerhin kommt sie vor. Von seinen Plänen kein Wort. Mit wem sollte er darüber reden? Mit Max, von dem er seit Wochen nichts Genaues weiß? Mit Ottla könnte er wahrscheinlich reden, und plötzlich ist das seine Hoffnung, über die bevorstehende Abreise hinweg, dass er sich bei seiner Rückkehr mit Ottla bespricht. Er setzt sich auf den Balkon, um den vertrauten Stimmen zu lauschen, nicht sehr lang, damit ihm das Weggehen nicht zu schwer wird. Die Stimmen wird er zweifellos vermissen, denkt er, das Meer, das vielleicht verzichtbar ist, den Wald, obwohl auch anderswo Wälder sind, irgendwelche Zimmer, in denen man schreiben kann.
Der Abschied ist kurz und hell. Sie ist sehr tapfer, findet er, wieder in diesem Kleid, vor dem er am liebsten sofort auf die Knie fallen möchte, hier, mitten in ihrer Küche. Er wird heute nicht mit ihr essen, denn er hat seinen letzten Abend den Kindern versprochen, dafür war er mit ihr noch einmal am Strand. Viel zu sagen gibt es nicht mehr. Er bittet, ihn auf keinen Fall auf die Bahn zu begleiten. Ja, gut, sagt sie, und darauf er: Bis bald, und wieder sie: Ja, bis bald.
Oben im Zimmer ist er erleichtert, dass sie ihn einfach hat gehen lassen. Noch in Berlin, hat er versprochen, wird er telegrafieren, und sie: Bitte, vergiss nicht, was gewesen ist, und nun geh, es ist alles gut. Er beginnt zu packen, drüben in der Kolonie essen sie gerade zu Abend, wie kann sie glauben, dass er nur die kleinste Kleinigkeit vergisst. Auch Elli hat gepackt, die Kinder wollen ihn nicht gehen lassen, erst gegen zehn ist er auf seinem Zimmer. Drüben im Heim ist es merklich ruhiger geworden, er sieht am langen Tisch die Kinder, aber ohne Wehmut, als wäre er bereits weg, in Berlin, auf dem Weg ins Hotel.
Als es klopft, nimmt er es anfangs kaum wahr, als würde er an ein Klopfen nicht glauben, und dann ist es Dora. Offenbar ist sie diesmal nicht gerannt, sie wirkt im Gegenteil sehr ruhig, etwas blass. Geweint hat sie nicht, aber sie hat nachgedacht, sagt sie, den halben Abend drüben in der Kolonie. Worum sie ihn von Herzen
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