Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
weiß!«
»Das glaube ich dir«, sagte Zanzeroth. Dann ließ er den zappelnden Mann mit dem Kopf voran durch die Flammen hindurch in die rauchende Flüssigkeit sinken. Tulk wedelte und spritzte und zappelte, verteilte die übel riechende
Pampe einen Moment lang in alle Richtungen. Zanzeroth zog eine Grimasse; er wusste, dass dies nichts war, was er genussvoll von seinen Klauen lecken würde.
Tulks Zappelei wurde zunehmend schwächer. Schließlich wurde er still, dann trat er noch einmal um sich. Dann noch einmal.
Schließlich ließ Zanzeroth ihn ganz in das Fass sinken. Er trat zurück, nahm seine kostbaren Schwerter wieder an sich. Etwas von der schrecklichen Flüssigkeit war auf eine der Klingen gespritzt. Wenn dies die Oberfläche nicht anzugreifen vermochte, würde überhaupt nichts das zustande bringen. Zanzeroth warf einen Blick zurück zu dem halben Dutzend betrunkener Männer, die ihn starr voller Entsetzen ansahen.
»Meine Herren«, sagte Zanzeroth. Er neigte den Kopf zur Bar. »Die Getränke gehen auf mich.«
Dann erhob er sich mit einem Sprung und einem Flügelschlag in den Himmel hinauf.
Als sich die Nacht herabsenkte, versammelten sich die Drachen am Fackelplatz. Dieses für Zeremonien genutzte Feld bestand aus einem Kreis von vielen hundert Schritt Durchmesser, dessen Boden inzwischen vollkommen schwarz war vom Ruß der unendlich vielen Scheiterhaufen für Feuerbestattungen. Erddrachen standen am Rand Wache, deren Körper in den feierlichen zeremoniellen Farben verschiedener Graustufen bemalt waren. Sie wirkten reglos wie Statuen, als das Königspaar vorbeiging.
In der Mitte des dunklen Kreises befand sich ein Turm aus Kiefernstämmen; hier, auf einer Plattform auf der Spitze,
ruhte Bodiel umgeben von Blumen. Die Luft war erfüllt vom Geruch der Kiefern.
Es war das erste Mal seit der vergangenen Nacht, dass Albekizan einen seiner Söhne sah. Er betrachtete das aufgeschichtete Holz, das Bodiels Leiche trug. Für einen kurzen Moment hatte er das Gefühl, als könnte er seinen geliebten Sohn wieder atmen sehen. Aber es war nur eine Täuschung, als die warme Abendbrise Bodiels Federschuppen leicht kräuselte.
Shandrazel stand aufsässig bei Albekizan. Der König musterte seinen noch lebenden Sohn. Er hätte Stolz empfinden müssen. Shandrazel hatte sich zu einem beeindruckenden Exemplar entwickelt. Der Prinz war so groß wie Albekizan; seine Schuppen hatten den üppigen Glanz von Rubinen, sein Gesicht trug die scharfen, klaren Linien seiner edlen Herkunft. Als er ihm jedoch in die Augen sah, sank dem König das Herz. Bodiels Augen waren immer so voller Stolz gewesen. Bodiels Augen waren Fenster gewesen, durch die man seine Kraft und das Feuer hatte sehen können. Bodiels Augen waren Augen gewesen, die die Welt beobachtet hatten, beständig nach Bedrohungen und Gelegenheiten Ausschau haltend. Bodiel hatte die Augen eines geborenen Kriegers gehabt.
Shandrazel besaß keine dieser Eigenschaften. Er hatte die Augen eines Drachen, der vor allem in sich hineinblickte. Da war immer eine nach innen gerichtete, nachdenkliche Seite bei Shandrazel gewesen, die Albekizan als Schwäche ansah. Shandrazel war jemand, der das Denken dem Handeln vorzog.
»Du enttäuschst mich, Shandrazel«, sagte Albekizan. »Es
bricht mir das Herz, deine feige Darbietung in dem Wettkampf belohnen zu müssen. Nur unzählige Generationen von Traditionen bringen mich dazu zu sagen, was ich als Nächstes sagen werde. Aufgrund von Nichterfüllung erkläre ich, dass du den Wettkampf gegen Bodiel gewonnen hast. Dein Lohn besteht in der Verbannung. Sollten wir uns jemals wiederbegegnen, dann nur zum Kampf auf Leben und Tod.«
»Und wenn ich mich weigere?«, fragte Shandrazel.
»Du wirst dich nicht weigern«, knurrte Albekizan.
Metron, der neben dem König stand, mischte sich ein. »So ist es Brauch, Shandrazel«, sagte er. »Es steht im Buch von Theranzathax geschrieben, dass der Sieger des Wettbewerbs vor seinem Vater fliehen muss. Er kehrt nur zurück, wenn er sich stark genug fühlt, ihn zu besiegen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass das Königreich einen mächtigeren König bekommt.«
»Ich wollte den Wettbewerb nicht gewinnen. Ich habe nicht einmal den Menschen verfolgt.«
»Wenn einer der Wettkämpfer getötet worden ist, wird der andere zum Sieger erklärt. So steht es geschrieben«, sagte Metron.
»Ich weiß, was geschrieben steht. Ich entscheide mich nur einfach nicht dafür, die Worte von jemandem zu glauben,
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