Die Herrschaft der Drachen 01 - Bitterholz
akzeptiert, dass dies sein Schicksal sein würde? Wieso war er so sicher gewesen, dass er, allein und umgeben von unzähligen königlichen Generationen, die Ketten des Aberglaubens zerreißen und ein neues Zeitalter der Vernunft einläuten könnte?
Inzwischen befand er sich weit hinter dem Fluss. Er war ein rascher, kraftvoller Flieger, konnte Meilen hinter sich bringen, während er sich ein paar Augenblicke in Gedanken verlor. Es würde ihm nicht gut bekommen, blind drauflos zu fliegen. Er musste sich ein Ziel suchen. Es musste einen Ort im Königreich geben, wo er Zuflucht finden würde.
Er sah nach links, suchte am Himmel nach dem Polarstern. Aber aus irgendeinem Grund waren die Sterne ausgelöscht. Er zuckte zusammen, als er begriff, dass da ein anderer Sonnendrache war, dunkel und verborgen in der Nacht.
Es war Zanzeroth. Er hielt in einem absichtlichen Kollisionskurs auf Shandrazel zu. Dieser drehte hart ab, um dem alten Jäger auszuweichen. Seine Geschwindigkeit und seine Kraft machten ihn gefährlich; Zanzeroth flog nur einen Schritt entfernt unter ihm vorbei. Ohne Vorwarnung schlängelte sich etwas durch die Luft und umfing mit einem Klack sein Bein. Brennender Schmerz schoss Shandrazels Rückgrat entlang, als sein Körper abrupt zum Halten gebracht wurde. Dann stürzte er nach unten, von Zanzeroths Gewicht mitgerissen, als der alte Drache seine Flügel einzog. Shandrazel streckte sich, um so viel Luftwiderstand wie möglich zu haben und so den Absturz zu verlangsamen. Dennoch wirbelten sie nach unten.
Dann, einige Schritte über den Baumkronen, öffnete Zanzeroth wieder seine Schwingen und ließ sich vom Aufwind auffangen. Shandrazel versuchte, sich von der plötzlichen Verlagerung des Gleichgewichts zu erholen, und glitt über die Baumspitzen, aber es war bereits zu spät. Die Zweige zerrten an ihm, rissen ihn ins Laubdach hinein. Er krachte hart auf den laubbedeckten Waldboden.
Dort lag er benommen und atemlos vom Aufprall, bis scharfe Klauen sich in die Schuppen an seinem Schädel wanden und seinen Kopf zurückrissen. Eine kalte Sichel aus Stahl drückte gegen seine Kehle.
»Ihr arbeitet mit dem Zauberer zusammen, ja?«, zischte Zanzeroth. »Ihr steckt bis zu den Augäpfeln mit drin. Ihr hättet den Wettbewerb auf ehrliche Weise gewinnen können. Stattdessen habt Ihr dafür gesorgt, dass Euer Bruder getötet wird.«
»Das ist doch verrückt«, fauchte Shandrazel.
»Ist es das? Wer gewinnt mehr durch den Tod Eures Bruders? «
»Mir ging es nie um Gewinn! Ich habe mich öffentlich meinem Vater widersetzt und darum gebeten, dass er Bodiel zum König ernennt!«
»Eine schlaue Deckung«, sagte Zanzeroth. »Ich gestehe, dass ich mich habe täuschen lassen, bis ich Zeit hatte, die falschen Fährten auszulöschen. Dann trat das Offensichtliche hervor.«
Shandrazel hatte genug gehört. Er stieß den Kopf zurück und gegen die Schnauze des alten Drachen. Er hob seine Vorderklaue, um das Handgelenk der Hand zu packen, mit der Zanzeroth ihm die Klinge an den Hals hielt, und wand sich in dem Griff, zwang die Waffe zur Seite. Zanzeroth war ein geübter, erfahrener Kämpfer, aber Shandrazel war jung, schnell und hatte Kraft im Übermaß. Er zerrte den Gegner von seinem Rücken weg und warf ihn zu Boden. Eine große, schmale Kiefer kippte um, als Zanzeroth mit der Hüfte dagegenprallte. Shandrazel sprang auf die Beine, bereitete sich auf einen neuen Angriff vor.
»Seniler alter Idiot«, sagte Shandrazel, dessen Stimme vor Wut bebte. »Dieser Auftritt hätte uns beide töten können! Und alles nur wegen irgendeiner haltlosen Theorie! «
Zanzeroths Schwingen lagen schlaff wie Decken auf dem Waldboden. Das Zucken seines Schwanzes verriet jedoch, dass er bei Bewusstsein war. Der alte Drache holte zittrig Luft, dann kicherte er.
»Wenn ich Euch hätte töten wollen, hätte die Peitsche sich um Euren Hals geschlungen und nicht um Euer Bein«, sagte Zanzeroth.
»Und wenn ich Euch hätte töten wollen«, entgegnete Shandrazel, »hätte ich Euren alten Hals in zwei Teile gerissen, ehe Ihr irgendeine Bewegung von mir gesehen hättet.«
»Ich glaube, das wäre möglich«, sagte Zanzeroth. »Ihr habt es nie an kriegerischen Fähigkeiten fehlen lassen. Nur an Blutgier. Ihr kämpft nur mit Eurem Verstand, niemals mit Eurem Herzen.«
»Ihr habt mich sicher nicht verfolgt, um meine Kampftechnik zu kritisieren«, sagte Shandrazel.
»Nicht? Ich habe aufrichtig geglaubt, dass Ihr Bodiels Tod geplant hattet. Aber wenn
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