Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
Inselinnere führte und sich zwischen Pflanzen mit breiten Blättern verlor. Jandra übernahm die Führung und betrat den Pfad, dicht gefolgt von Hex. Sie hatte keine Angst. Seit sie den Helm aufgesetzt hatte, bemerkte sie, dass sie zuversichtlicher und entschiedener handelte. Unterdrückte der Helm ihre Ängste? Oder hatten die Abenteuer der vergangenen Monate sie gestärkt, so dass sie durch nichts mehr zu beunruhigen war? Derart zuversichtlich hatte sie sich sonst nur gefühlt, wenn sie bei Vendevorex gewesen war. Das Wissen, dass er auf sie aufpasste, hatte sie sicher gemacht. Vielleicht bescherte ihr die wachsende Freundschaft mit Hex einen ähnlichen Auftrieb. Es war nicht so schwer, fremde Wege in unbekannten Dschungeln zu beschreiten, wenn man wusste, dass ein Sonnendrache einem den Rücken deckte.
Die Luft war feucht und warm, als sie durch das dichte Blattwerk gingen, das den Weg säumte. Buttergelbe Vögel flatterten zwischen den Blättern umher und fraßen eine Reihe exotischer Käfer, deren Panzer wie Juwelen glänzten. Schlangen so grün wie Algen legten sich rebenähnlich über Zweige. Blumen in endlosen Farbtönen erfüllten die Luft mit ihrem Geruch.
Sie erreichten rasch den Tempel, der aus einem Dickicht aus hohen Bäumen bestand, die eine Plattform aus verwittertem Marmor umgaben. Jandra schritt die Stufen zu einer Lücke zwischen den Bäumen hoch. In der großen Kammer dahinter befand sich eine riesige Mahagoni-Statue. Die Schnitzerei stellte die gleiche Frau dar wie die, die sie zuvor gesehen hatten. Die Figur war beunruhigend unanständig für Jandras Geschmack, denn es gab keinerlei Versuche, Brustwarzen oder Genitalien zu verbergen. Die Lippen waren voll, und der Blick war verführerisch. Jandra hatte Gerüchte gehört, dass Anhänger
der Göttin die Sonnenwende mit rituellen Orgien feierten. Die Statue sah aus, als würde sie derartige ungezügelte Leidenschaften befürworten. Jandra war überrascht, dass Pet nie versucht hatte, in einer solchen Region Hohepriester zu werden.
Adam blieb stehen, als Trisky die Stufen des Tempels erreicht hatte.
»Ich kann nicht weitergehen«, sagte er. »Ich hatte nicht die entsprechende Reinigung.«
»Die Göttin hat uns eingeladen«, sagte Hex.
»Ihre Einladung galt nicht mir«, erwiderte Adam.
Bitterholz stieg ab und folgte Jandra die Marmorstufen hoch. Seine Augen waren weit geöffnet, und der Blick, der in ihnen stand, konnte nur als ehrerbietig bezeichnet werden. Bitterholz schlich zu dem Mahagoni-Bildnis. Er starrte es schweigend an.
»Habe ich mich all die Jahre geirrt?«, fragte er leise. »Haben Hezekiahs Lügen mich von der Wahrheit ferngehalten?«
Bei diesen Worten erwachte die Statue zu Leben. Die Göttin neigte den Kopf und starrte auf Bitterholz herunter. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Der sinnliche Ausdruck verwandelte sich in den einer Mutter, die sich nach ihrem Kind umsah.
»Ein ungeprüfter Glaube ist kein richtiger Glaube, Bant Bitterholz«, sagte die Göttin. Ihre Stimme war beschwichtigend und sanft. »Du hast viele Prüfungen erduldet, seit du meine Herde verlassen hast, Drachentöter. Was hast du gelernt? Erzähle mir von deiner Weisheit.«
»Ich … ich bin ein Narr gewesen«, sagte Bitterholz und ließ sich auf die Knie sinken. Er starrte zur lebenden Statue hoch. »Da ist nichts Weises an mir.«
»Das zu wissen, ist ein Schritt in Richtung der Weisheit«, sagte die Göttin.
Bitterholz senkte den Kopf und starrte auf die Füße der Göttin,
die jetzt vom Podest herunterkam und ihm eine Hand auf die Schulter legte.
»Vergib mir«, sagte er. Seine Stimme klang, als würde er jeden Moment anfangen zu weinen.
Das war mehr, als Jandra ertragen konnte. Mit ihren überaus gut abgestimmten Sinnen erkannte sie deutlich, was vor sich ging. Die Statue bewegte sich mittels der gleichen winzigen Maschinen, die auch Jandras eigenen Illusionen Leben verliehen. Es machte sie krank mitzuerleben, dass derart gefühllos mit Bitterholz gespielt wurde. Seine Stimme verriet nur zu offensichtlich, dass er überwältigende emotionale Schmerzen litt.
»Das reicht jetzt«, sagte Jandra und hob die Hände zur Statue. Sie streckte mentale Finger aus und griff nach den Maschinen, die sie belebten, um zu versuchen, sie unter Kontrolle zu bekommen. Die Statue machte als Antwort darauf einen Ruck, die Arme wurden schlaff, der Kopf bewegte sich vor und zurück, als würde jemand sie bei den Schultern packen und ordentlich durchschütteln. Jandra
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