Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
Kameradin diese Behandlung verdient hat.«
Bitterholz wäre am liebsten über den Kopf des Langwyrm gesprungen und hätte Adam aus dem Sattel gerissen. Vielleicht würde er bereit sein, sich für Jandras Rückkehr einzusetzen, wenn er ihn zu Brei schlug. Bitterholz stellte mit einem Frösteln fest, dass seine gewalttätige Wut sich gegen sein eigen Fleisch und Blut richtete. Die Erinnerung an seinen Bruder Jomath stieg in ihm auf, wie er sterbend am Fuß eines ähnlichen Tempels gelegen hatte. Sein Hass hatte seinen Bruder das Leben gekostet. Würde die Finsternis in ihm für seinen Sohn ein ähnliches Schicksal verlangen?
Bitterholz atmete tief aus. Nicht sein Sohn musste so lange geschlagen werden, bis er betete. Er sank langsam auf die Knie und beugte den Kopf, sich vollends der Tatsache bewusst, dass Hex nur wenige Zoll entfernt war. Wenn das große Geschöpf auf die Idee kam, diesen Moment zu nutzen, um sich zu rächen, war er vollkommen ungeschützt. In einem Akt der Ergebung schloss er die Augen und flüsterte: »Göttin, bitte. Lass Jandra Barmherzigkeit widerfahren, wie sie auch mir Barmherzigkeit erwiesen hat. Bring sie zu uns zurück.«
Über ihm erklang das Geräusch von riesigen, schlagenden Flügeln. Es war nicht Hex – selbst mit geschlossenen Augen konnte Bitterholz spüren, dass der Sonnendrache sich immer noch neben ihm auftürmte. Bitterholz öffnete die Augen und sah nach oben.
Ein barbrüstiger Engel in einer schwarzen Hose ließ sich vom Himmel heruntersinken; sein Abstieg wurde von den sanften Schlägen seiner leuchtenden, goldenen Flügel verlangsamt.
Der Engel trug etwas in den Armen; einen menschlichen Körper, den Beinen nach zu urteilen, die zu sehen waren. Ein Mädchen? Jandra? Nein, dazu waren die Beine zu kurz und zu dürr.
Als der Engel auf den Stufen des Tempels landete und das Mädchen den Kopf von der Brust des Engels hob, erhaschte Bitterholz einen Blick auf die blonden Haare.
»Zeeky!«, rief Bitterholz. Sein Herz weitete sich, als er sah, dass sie noch am Leben war. Er spürte ein seltsames und unvertrautes Gefühl. Konnte es sein, dass er nach so vielen Jahren, in denen er nichts als Hass und Bedauern gefühlt hatte, Freude empfand?
»Bitterholz!«, rief Zeeky, während sie aus den Armen des Engels glitt und zu ihm rannte. »Du lebst!«
Bitterholz fing das Mädchen auf, das hochsprang, um ihn zu umarmen. Als sie ihre Arme um seinen Nacken schlang, kamen Erinnerungen an seine Töchter hoch, die jetzt tot waren. Aber irgendwie wurden die Erinnerungen durch die Anwesenheit von Zeeky verändert, wurden sie zu etwas Bittersüßem statt nur zu etwas Bitterem.
»Wo ist dein Schwein?«, flüsterte Bitterholz.
»Ferkelchen geht es gut«, sagte Zeeky. »Wir haben ihn gebadet. «
Hex räusperte sich. »Ich vermute, wir sind einander noch nicht vorgestellt worden.«
Bitterholz setzte Zeeky auf dem Boden ab.
»Das ist Zeeky«, sagte er. »Sie ist … meine Freundin.« Das Wort fühlte sich seltsam auf seiner Zunge an. Es war viele Jahre her, seit er es benutzt hatte. »Zeeky, der Drache ist Hex. Der Mann auf dem Langwyrm ist – «
»Adam!«, sagte Zeeky und winkte. »Du bist zurück!« Sie lief die Stufen hinunter und umarmte die Schnauze des Langwyrms. »Schön, dich zu sehen, Trisky!«
Bitterholz sah von Zeeky wieder weg und zum Engel. Das Wesen hatte lange, weiße Haare und stand so groß wie die Statue da, die gerade Jandra angegriffen hatte. Der Engel faltete die Flügel in einer ausgeklügelten Falttechnik, und die Federn klirrten melodisch, als sie sich hinter seinen breiten Schultern zusammenlegten, bis sie ganz verschwunden waren. Der Engel nahm den schwarzen Stoff von den Schultern und schüttelte ihn; es stellte sich heraus, dass es ein Umhang war. Er legte sich den Umhang über, und von irgendwo darin kam ein Hut zum Vorschein, den der Engel jetzt in der Hand hielt. Er war breitkrempig und schwarz – genauso wie der, den Hezekiah zu tragen gepflegt hatte. Tatsächlich besaßen Hezekiah und der Engel fast die gleiche Haltung und Kleidung, sie unterschieden sich nur in Haar- und Hautfarbe. Bitterholz spannte sich an. Das Einzige, was er noch mehr verabscheute als Drachen, war der Prophet Hezekiah. In welcher Beziehung stand er mit diesem Engel?
Der Engel lächelte, als er die Kleidung fertig zurechtgerückt hatte.
»Da es gerade um Vorstellungen geht«, sagte er, »nennt mich Gabriel.«
Nach einem kurzen Augenblick des absoluten Nichts wurde Jandra in
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