Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
leuchtenden, meilenhohen Spitzen versehen war.
»Das ist Atlantis. Ich weiß nicht, wer es entwickelt hat, aber es kam als winziger Samen der Intelligenz an und entwickelte sich zu einer Stadt, die nach Einwohnern suchte, um die es sich kümmern konnte. Seine Macht ist nahezu göttlich, und es ist beinahe unbegrenzt altruistisch. Es hat seine fortgeschrittene
Technologie bereitwillig mit den Menschen geteilt – bis ich das zunichtegemacht habe.«
»Wieso hast du etwas zunichtegemacht, das altruistisch war, wie du sagst?«
»Weil die Menschen bereits so viel Schaden mit ihren primitiven Werkzeugen angerichtet haben, konnte ich mir die Schrecknisse, die ausgelöst werden würden, wenn jeder Mensch die Macht eines Gottes besäße, in etwa erahnen. Glücklicherweise besteht Atlantis im Kern aus der Intelligenz einer Maschine. Ich war die meistgesuchte Cyber-Terroristin des FBI. Als ich also auf Atlantis traf, habe ich zugeschlagen. Ich konnte es nicht zerstören; aber ich konnte seiner Allmacht ein paar Grenzen setzen. Sein Altruismus endet jetzt an seinen Ufern. Die Leute von Atlantis leben in Glückseligkeit, aber Atlantis hält seine Segensgaben von der übrigen Welt fern. Die Atlanter sind zum größten Teil blind gegenüber dem Rest der Welt. Die letzten eintausend Jahre haben gezeigt, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Als der Rest der Menschheit zurück in die Barbarei gefallen ist, hat die Erde allmählich zu heilen begonnen.«
»Ich habe so viele Fragen«, sagte Jandra, »dass ich gar nicht weiß, wo ich beginnen soll. Ich habe das Gefühl, ich verstehe nur jedes zweite Wort von dem, was du sagst.«
»Ja«, sagte Jazz. »Ich könnte dir vermutlich mit viel Geduld die gesamte Geschichte der Menschheit erklären, in Form einer langen Reihe von Belehrungen. Ich kann aber auch das hier tun.«
Jazz streckte die Hand aus und legte Jandra einen Finger an die Stirn. Bilder strömten durch ihren Geist wie die Seiten einer Million Bilderbücher, die in blendender Geschwindigkeit umgeblättert wurden. Eine Stadt aus leuchtenden Türmen; ein kleiner rötlicher Drache, der einen Marmorengel angreift; eine
schwarze Tür, die sich ins Nichts öffnet; ein Apfel; ein sternenübersäter Himmel; ein silberner Schlüssel. Jandra sank benommen auf die Knie und wirbelte eine Wolke aus feinem, grauem Staub auf. Sie sah einen toten Mann weitergehen, der eindeutig geköpft worden war. Sie sah ausgemergelte Affen aus Regenbogen fallen. Sie legte die Hände an den Schädel. Ihre Schläfen pochten. Es fühlte sich an, als würde ihr Hirn anschwellen und gegen die Grenzen ihres Schädels drücken.
»Was hast du mit mir getan?«, fragte sie keuchend, während Tränen ihre Sicht verschleierten.
»Ich habe den Naniten befohlen, deine Synapsen neu zu ordnen, um dir einige meiner Erinnerungen zu geben. Du wirst nicht in der Lage sein, sie sofort zu verstehen, aber während wir weiterreden, wirst du herausfinden, dass du den Kontext hast, um mich zu verstehen. Du wirst eine Weile die Mutter aller Kopfschmerzen haben, aber auf Dauer wirst du eine sehr viel angenehmere Kameradin sein.«
»Ich erinnere mich nicht, zugestimmt zu haben, dass ich länger hierbleiben will«, sagte Jandra, die sicher war, dass sie sich gleich übergeben würde. Wann hatte sie zum letzten Mal gegessen? Alles, was ihr einfiel, war das undefinierbare Trockenfleisch, das Adam ihr angeboten hatte. Salzig und zäh und größer werdend, wenn man es kaute. Ihr Körper verkrampfte sich, und doch behielt sie alles bei sich. Zitternd sagte sie: »I-ich will nur Zeeky und ihre Familie finden und nach Hause bringen.«
»Richtig«, sagte Jazz. »Das wird nicht geschehen.«
»W-wieso nicht?«, fragte Jandra. Der Schmerz in ihr wurde stärker. Eine Million scharfe Messer stachen mitten in ihren Kopf. Ihre Eingeweide verknoteten sich. Sie stürzte, als ihre Kraft sie verließ. Es kam ihr vor, als bräuchte sie ewig, um in den grauen Staub zu fallen. »W-was hast du mit ihnen g-gemacht? «
»Das würdest du jetzt noch nicht verstehen«, sagte Jazz.
»Das h-hat dich bisher auch n-nicht aufgehalten«, sagte Jandra. Ihre Finger gruben sich in die Monderde. Sie spannte den Kiefer an und schloss die Augen, versuchte den Sturm in ihrem Innern zu beruhigen. Sie wollte, dass Jazz weitersprach. Ihre Stimme war eine angenehme Ablenkung von der Kakophonie in ihrem eigenen Schädel.
»Stimmt«, sagte Jazz. »Diese Regenbogen, die uns hierher geschafft haben, reisen
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