Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
»Ich liebe ihn. Alle anderen, die mich in den letzten Jahrhunderten angesehen haben, taten das mit Ehrfurcht oder Entsetzen im Blick. Aber in deinen Augen sind höhere Emotionen. Sicher, da ist auch Wut und Furcht. Aber ich sehe auch Neugier. Du willst wissen, was ich dir beibringen kann. Ich glaube, du willst meine Freundin sein, du weißt es nur noch nicht.«
Jandras Haut kribbelte, als Jazz mit den Fingern über die Linie ihres Kinns tastete. Ihr wurde übel von dem Duft, den Jazz verströmte: leicht blumig, und doch verdorben durch den Geruch des Tabaks.
»Wir werden beste Freunde sein, Jandra Drachentochter. Du bist so hübsch, wie eine kleine Puppe. Ich werde dich so kleiden, wie ich will; wir werden Spiele zusammen spielen. Du wirst natürlich immer verlieren. Und weißt du was?«
Jandra konnte nicht antworten. Nicht einmal ihre Zunge gehorchte ihr jetzt noch.
»Eines Tages«, flüsterte Jazz und brachte ihre Lippen dicht an Jandras Ohr, so dass diese den heißen, trockenen, nach Asche stinkenden Atem der Göttin roch. »Eines Tages wird Liebe das Einzige sein, was ich in deinen Augen sehen werde.«
Bitterholz hatte im Laufe der Jahre seinen Blick mit dem vieler Drachen gekreuzt. Sein Hass auf die Bestien hatte dazu geführt, dass er sie nur zu gut kennen gelernt hatte. Er konnte die kleinsten Gedanken in ihrem Gesicht ablesen, wenn sie im Sterben lagen: Er sah die vergeblichen Hoffnungen, die sinnlose Wut, die Reue über ungehaltene Versprechen, selbst das letzte, schwache Aufflackern von Frieden, wenn eine lieb gewonnene Erinnerung über den nachlassenden Geist schwebte.
Als Bitterholz allerdings in diesem Moment in Hex’ Augen sah, erlebte er etwas, das er noch nie zuvor empfunden hatte: Kameradschaft. In diesem seltsamen und schrecklichen Paradies waren die beiden Todfeinde plötzlich zu Verbündeten geworden, zu den einzigen Personen, denen sie trauen konnten.
Hex nickte leicht. Bitterholz nickte ebenfalls. Seine Hand sank zu seinem Schwert, das er dem Langwyrm-Reiter abgenommen hatte und das seither in seinem Gürtel steckte.
Hex machte einen Satz nach vorn; seine Reptilienmuskeln
reagierten mit der Geschwindigkeit einer zuschlagenden Klapperschlange. Mit den mächtigen Kiefern schlug er auf den marmornen Rumpf der Göttin ein; er biss kräftig genug, dass ein Netz von Rissen durch ihren Körper lief. Dann peitschte er die lebende Statue herum und knallte ihren Kopf geradewegs in die Mitte von Gabriels Brust. Der Engel wurde durch den Schlag von den Füßen gerissen und landete rücklings im Gras am Fuß der Stufen.
Bitterholz machte einen Satz, schwenkte das Schwert beidhändig über dem Kopf und stieß es dann mit ganzer Kraft in den Bauch des Engels. Zu seiner Erleichterung durchdrang das Schwert dessen Körper und wurde von der Wucht des Schlages tief hineingetrieben, um sich dann unter ihm in den Boden zu bohren. Bitterholz sprang zurück, bevor der Engel sich genügend erholen konnte, um ihn zu packen.
Gabriel wirkte weniger verletzt, als dass es ihm unangenehm war, wie ein Käfer festgenagelt worden zu sein. Er packte das Schwertheft und begann, die Klinge herauszuziehen, als plötzlich Hex wieder mit dem lebenden Marmor zuschlug und die zehn Fuß große Statue wie einen Hammer auf Gabriels Gesicht knallen ließ. Die Göttin zerbrach bei dem Schlag. Gabriel war plötzlich von einer Staubwolke umgeben.
Bitterholz wirbelte herum, als die falsche Jandra auf ihn zusprang. Er bekam sie mitten in der Luft mit einem Aufwärtshaken gegen die Kehle zu fassen, die seinen ganzen Arm taub machte. Jandra wurde zurückgestoßen, aber sie wirkte nicht beeinträchtigt durch den Schlag. Die Haut löste sich, wo er sie getroffen hatte, und es kam ein Kieferknochen aus Stahl zum Vorschein.
Also war auch dies eine Maschine, so wie einst Hezekiah.
Er tänzelte zurück, als sie ihn angriff und rasche Hiebe austeilte, die ihn getötet hätten, wenn sie getroffen hätte. Plötzlich
stolperte sie über etwas Langes und Gewundenes – Hex’ Schwanz – und stürzte. Die falsche Jandra sah auf, als ein Schatten über sie hinwegflog. Hex schoss mit geöffnetem Kiefer zu ihr hin. Bitterholz zuckte zusammen, als die Kiefer des Sonnendrachen zuschnappten und Jandras Körper plötzlich ohne Kopf war. Funken flogen vom Nacken auf, als Hex den Frauenkopf ausspuckte; die Haare waren jetzt nass von Speichel und Blut. Bitterholz konnte erkennen, dass sich einige von Hex’ dolchähnlichen Zähnen gelockert
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