Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
Kampf, sondern kaute zufrieden an einer Handvoll Gras, das Zeeky dem kupferfarbenen Langwyrm hinstreckte.
Plötzlich erklang eine körperlose Stimme in der Luft.
»Dieser Streit muss nicht sein«, sagte die Göttin. Ihre Stimme war beinahe himmlisch. Die Silben klangen, als würden sie durch Zufall durch das Geräusch erzeugt, das die in der Brise raschelnden Blätter verursachten, das Summen der Bienen,
das leise Schreien entfernter Vögel. Als sie jedoch weitersprach, wurden die Worte menschlicher und wirkten gezielter. Bitterholz sah zum Eingang des Tempels hin, als die Stimme sagte: »Ihr seid alle meine Gäste. Jandra ist nichts geschehen.«
Die Göttin tauchte auf den Tempelstufen auf. Sie besaß jetzt eine sehr menschliche Form und trug ein langes, fließendes Kleid aus gesponnenem Smaragd. Ihre Haut wirkte wie makelloser Marmor, und die Haare fielen in steinigen Locken über ihren Rücken. Sie war zehn Fuß groß und überragte sogar noch ihren Engel Gabriel.
Da war eine Bewegung weiter hinten im Tempel, die zunächst durch die statuenhafte Gestalt der Göttin teilweise verborgen wurde. Dann näherte sich Jandra von hinten der Göttin. Ihr Helm leuchtete in dem Blau des künstlichen Himmels über ihnen. Sie hob die Hand, um ihnen zuzuwinken, und schien etwas verlegen über den Aufruhr zu sein, den sie verursacht hatte.
»Jandra!«, rief Bitterholz. »Alles in Ordnung?«
»Es geht mir gut«, sagte Jandra. »Die Göttin und ich haben nur ein kleines Schwätzchen unter Frauen gehalten.«
Bitterholz spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. Etwas an Jandras Stimme war falsch. Als sie dann auf die Stufen und neben Gabriel trat, reagierte sie nicht im Mindesten, als wäre der Engel es nicht wert, von ihr beachtet zu werden.
Er sah zu Hex hin, dessen Nase zuckte, als er Jandra zu erschnüffeln versuchte. Der Drache drehte den Kopf und sah zurück zu Bitterholz. Als ihre Blicke sich trafen, ging eine unausgesprochene Erkenntnis zwischen ihnen hin und her.
Wer immer diese Frau war, sie war nicht Jandra.
Jandra verließ das Nichts und trat unter einen sternenübersäten Himmel. Der Boden unter ihren Füßen gab mit einem
leichten Knirschen nach, als wäre es feiner, lockerer Schnee. Die Landschaft um sie herum war eintönig grau, eine grießkörnige staubige Einöde, die sich in jede Richtung erstreckte, so weit ihr Auge reichte. Es war ein eigenartig konturloser und auf unheimliche Weise ruhiger Schauplatz. Jazz stand etwa zwanzig Fuß von ihr entfernt mit dem Rücken zu ihr da; sie schaute zum Himmel hoch. Jandra trat neben sie und stellte verblüfft fest, dass sie flog. Nein, sie flog nicht … aber ein einzelner Schritt hatte sich irgendwie in einen langen, langsamen Sprung verwandelt. Sanft strömte sie wieder zu dem grauen Staub bei Jazz hinunter. Sie sah ebenfalls zum Himmel hoch; ihre Körperhaltung ähnelte der der älteren Frau. Sie war verwirrt über das, was sie am Himmel fand. War das der Mond? Nur zehnmal größer und voller weißer Wolken und gewaltiger, blaugrüner Ozeane.
»Wo sind meine Freunde?«, fragte Jandra. »Wo sind wir?«
»Deine Freunde sind noch immer im Tempel. Ich habe Gesandte geschickt, die sie unterhalten. Wir sind auf dem Mond. Wir sind in einer Vorbereitungszone, in der es Atmosphäre gibt, die aber noch nicht terranisiert ist. Und was diese große Kugel über uns betrifft, das ist unsere Heimat. Es ist der Planet, auf dem du dein ganzes Leben lang gelebt hast. Ziemlich irre, oder?«
Jandra fühlte sich mulmig und benommen. Nicht nur benommen, sondern auch irgendwie leicht im Körper. Ihr Mageninhalt schien sich so einfach zu ihrer Kehle zu verlagern, wie ihre Füße sich von der Oberfläche abhoben.
»Du fragst dich vielleicht, wie du hierhergekommen bist«, sagte Jazz.
»Sind wir auf dem Mond?«
»Ich dachte, es wäre nett, dir eine andere Perspektive zu bieten. Ich mag dich, Jandra Drachentochter. Du hast einen langen
Weg zurückgelegt und dich in viele Gefahren begeben, um einer Freundin zu helfen. Du hast gute Instinkte. Wir würden gut miteinander auskommen.«
»Ich habe Legenden über Männer gehört, die auf dem Mond leben«, sagte Jandra.
»Ja. Das sind alles Narren. Wir werden sie nicht aufsuchen.«
»Warum sind wir dann hier?«
»Sieh nur«, sagte Jazz und wedelte mit der Hand zu der glühenden, blauweißen Kugel über ihnen. »Hast du jemals in deinem Leben etwas so Wunderschönes gesehen? Das ist eine gesamte Biosphäre, auf die du da
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