Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
ich nur annehmen, dass da eine Verbindung besteht. Da wir noch nicht herausgefunden haben, wo sich Blasphets Tempel befindet, ist dies das zweite Problem auf meiner Liste der Dinge, mit denen ich mich beschäftigen werde, wenn wir die Situation bei Drachenschmiede geklärt haben.«
»Und was ist das erste?«
»Mein alter Stirnreif«, sagte Jandra. »Er befindet sich immer noch unbewacht und unverschlossen im Palast. Ich möchte nicht, dass er in falsche Hände gelangt.«
»Wir werden uns nicht allzu lange bei Drachenschmiede aufhalten«, sagte Hex. »Shandrazel mag zwar von Natur aus kein Krieger sein, aber er ist sicher klug genug, eine Rebellion von Menschen allein zu ersticken.«
Jandra runzelte die Stirn. Etwas in Hex’ Stimme gab ihr das Gefühl, als würde er denken, dass die Menschen natürlicherweise weniger intelligent waren als die Drachen.
»Unterschätze die Menschen nicht«, sagte sie. »Wenn ich etwas durch Jazz’ eingepflanzte Erinnerungen erfahren habe, dann, dass die Unterwerfung der Menschen durch die Drachen nicht über Nacht geschehen ist. Die Menschen könnten noch immer über die Welt herrschen, wenn Jazz nicht aktiv daran gearbeitet hätte, sie zu verkrüppeln. Hätte sie nicht alle getötet, die wussten, wie man zum Beispiel Schießpulver herstellt, würde die Welt zweifellos besser aussehen.«
»Was ist Schießpulver?«, fragte Hex.
Jandra runzelte die Stirn. Immer wieder gab es Augenblicke, in denen sie von solchen Rätseln überrascht wurde. Eigenartige Bruchstücke von Wissen blitzten in ihrem Bewusstsein auf, während ihr Hirn sich bemühte, die von Jazz aufgezwungenen Erinnerungen einzuordnen.
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte sie, während Hex mit den Flügeln schlug, um sie höher zu bringen. Der Winterwind fühlte sich beißend an ihren ungeschützten Wangen an. Die Kälte half ihr, sich wieder ins Hier und Jetzt zu bringen; sie fiel zu leicht in Tagträumerei, seit Jazz ihren Verstand verändert hatte. »Es ist so frustrierend. Es ist, als würden sich Teile meines Gehirns nicht miteinander unterhalten. Ich weiß, dass Jazz Schießpulver für gefährlich gehalten hat, und dass sie Jahrhunderte damit verbracht hat, jeden Menschen zu töten, der wusste, wie man es herstellt. Aber ich habe auch eine Erinnerung daran, wie es aussieht und wie die chemische Formel lautet, nur hängen diese Informationen einfach vollkommen unverbunden herum. Ich bin nicht einmal sicher, wieso man Pulver zum Schießen brauchen soll! Ich habe keine Ahnung, ob es die Welt verändern könnte oder nicht.«
Hex’ Schultern versteiften sich leicht, als Jandra sprach. Sie war im Laufe der Zeit, da sie auf ihm ritt, ziemlich empfindsam gegenüber seinen Reaktionen geworden und konnte die Emotionen
in den feinen Bewegungen seiner Muskeln unter ihren Oberschenkeln spüren.
»Was ist?«, fragte sie.
Hex setzte zum Sprechen an, hielt dann aber inne.
»Was ist?«, fragte sie noch einmal.
»Wenn ein Individuum nichts weiter ist als die Summe seiner Erinnerungen, was wird dann geschehen, wenn Jazz’ Erinnerungen einmal richtig Wurzeln in dir fassen? Wirst du dann zu ihr werden?«
»Das ist verrückt«, sagte Jandra. »Ich habe immer noch meine eigenen Erinnerungen. Ich bin immer noch zuallererst die Tochter von Vendevorex. Das werde ich nie vergessen.«
»Aber du bist nicht wirklich Vendevorex’ Tochter«, sagte Hex. »Wie kannst du deinen Erinnerungen trauen, wenn die zentrale Erinnerung deines Lebens so …« Hex machte eine Pause, als er nach dem richtigen Wort suchte. »So … hergestellt ist.«
»Das ist eine sehr diplomatische Art und Weise, es auszudrücken«, sagte Jandra. »Ich kenne die Wahrheit, aber ich habe mich entschieden, nicht dabei stehen zu bleiben. Ich weiß, dass Vendevorex meine wahre Familie getötet hat, obwohl Jazz geglaubt hat, dass noch ein Bruder von mir am Leben ist. Aber ich entscheide mich, die guten Dinge in Erinnerung zu behalten, die ich von Ven erhalten habe: Selbstgenügsamkeit, Disziplin und Mitgefühl. Also, ja, ich vermute, ich stelle meine Erinnerungen selbst her.«
»Vielleicht prägt uns am Ende nicht das, woran wir uns erinnern, sondern das, was wir bereitwillig vergessen«, sagte Hex.
»Das klingt nach den Worten eines wahren Krieger-Philosophen«, sagte Jandra.
Drachenschmiede tauchte jetzt am Horizont als dunkler Fleck in der weißen Landschaft auf. Die Schornsteine schickten schwarze Rauchsäulen zu den grauen Wolken hoch. Im
Umkreis von Hunderten
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