Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
näherte sich, angeführt von einem nackten Mann. Dealon trat von der Veranda herunter, um einen besseren Blick darauf zu bekommen, denn er zog in Betracht, dass seine Augen ihm einen Streich spielten. Aber das taten sie nicht. Hunderte von Menschen, vielleicht Tausende, marschierten die Schmiedestraße entlang, und die meisten hielten behelfsmäßige Waffen in den Händen: Mistgabeln und Sensen und Keulen.
Die Sonne des späten Nachmittags gestattete Dealon einen guten Blick auf den Mann, der die Gruppe anführte. Ihr Anführer war groß und muskulös, und sein ganzer Körper war mit dunklen Haaren bedeckt. Sein Gesicht war ganz und gar verborgen unter einer ungezähmten Mähne von braunen Haaren, die in einem verworrenen Schleier über seine Schultern hingen. Sein dichter, lockiger Bart reichte bis zur Mitte seiner Brust. Er trug keinerlei Kleider, nicht einmal Schuhe.
Im Gegensatz zu den behelfsmäßigen Waffen, die seine Männer
trugen, hielt der Anführer schön gestaltete Krummsäbel in beiden Händen. Dealon wirbelte herum und schoss die Verandatreppe hoch. Er platzte in die Schenke und rief: »Burke!«
»Was ist los?«, rief Dorny von seinem Platz beim Feuer aus. Sein nörglerisches altes Gesicht verzog sich zu einem grausamen Grinsen, das drei verbliebene Zähne enthüllte, als er fragte: »Hat der Affe dich wieder geschlagen?«
»Da ist eine Armee«, sagte Dealon, als die Tür sich hinter ihm schloss, gelenkt von der unsichtbaren Hand eines Gegengewichts, das Burke installiert hatte. »Sie kommen hierher!«
Bei dieser Ankündigung kehrte Stille im Raum ein. Es waren nur zehn Leute in dem großen Raum der Schenke, von denen acht wie Dorny Bauern waren, sowie Anza, Burkes Tochter, die als Kellnerin arbeitete. Hinter der Bar stand Burke selbst; er wischte einen glasierten Keramikbecher sauber. In seiner Brille spiegelten sich die orangefarbenen Flammen, die in der Feuerstelle tanzten.
»Erddrachen?«, fragte Burke. Er klang uninteressiert.
»Menschen!«, sagte Dealon.
Burke schürzte leicht die Lippen. »Wie viele?«
»Hunderte!«
»Ich verstehe«, sagte Burke. Er nahm die Brille ab und reinigte sie mit dem gleichen Tuch, mit dem er den Becher gesäubert hatte. »Es ist gut, dass wir gerade Apfelwein eingelagert haben. Anza, würdest du bitte in den Keller gehen und für mich nachzählen, wie viel es ist?«
Anza nickte; sie wirkte ernst, als läge in Burkes Worten eine Bedeutung, die nur sie verstand. Anza war zu einer schönen Frau herangewachsen; sie war einige Zoll kleiner als ihr Vater und hatte die gleichen vollkommen geraden schwarzen Haare und die gebräunte Haut. In ihrem ganzen Leben hatte niemand sie sprechen gehört. Obwohl sie alles verstand, was man ihr sagte,
antwortete sie nur mit Gesten und Mimik. Zu den Gesten, für die sie bekannt war, gehörte auch ihre rasche Antwort auf den Versuch irgendeines Mannes, sie zu berühren. Sie konnte einem Mann schneller die Finger brechen, als er den Satz beenden konnte: »Was haben wir denn da für eine Schönheit?«
Als Anza in der Küche verschwunden war, fragte Burke: »Wie weit weg sind sie? Wie lange dauert es, bis sie hier sind?«
Als Antwort wurde die Tür zur Schenke aus den Angeln getreten. Sie fiel krachend auf den Boden, und ein Tisch stürzte um, der wiederum in einem Dominoeffekt Stühle umwarf. Die dicken Dielen des großen Raumes zitterten, als der Mob hereingetrampelt kam, angeführt von dem nackten Schwertmann. Dealon rannte zur Bar und stieg auf die andere Seite zu Burke, so schnell es ging. Andere suchten Schutz unter einem Tisch oder in einer Zimmerecke. Nur Burke allein schien von den Eindringlingen unberührt zu bleiben, denn er nahm einfach einen anderen Becher in die Hand und spülte ihn.
Noch mehr Mitglieder der Armee traten ein – wie Dealon vermutete, mindestens einhundert Mann. Ein Dutzend der größten umgaben den muskulösen Anführer, als er sich der Theke näherte. Im Unterschied zu ihm trugen sie Kleidung. Einige hatten sogar Stücke schlecht sitzender Rüstungen: Brustplatten und Schilde und Kettenhemden, die offensichtlich einmal für Erddrachen gedacht gewesen waren.
Der nackte Mann hob eine Hand, und die Männer, die ihm folgten, blieben stehen, wo sie waren. Sie verhielten sich vollkommen lautlos. Er starrte quer durch den Raum auf Burke. Burke wartete geduldig darauf, dass der Mann zuerst zu sprechen begann.
Der nackte Mann erschütterte den Raum mit einer tiefen, donnernden Stimme: »Die südliche
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