Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
warf die goldfarbene Schmiere tief in seinen Rachen. Er hustete und befleckte Colobis schwarzes Gewand mit gelben Flecken. Sie holte eine zweite Handvoll aus dem Topf, dann eine dritte und warf sie Arvelizan gekonnt in den Rachen, während der versuchte, sie mit seinen Zähnen zu erreichen. Schon bald war die gesamte Zunge des Sonnendrachen mit dem Zeug bedeckt, und sein Speichel tropfte senffarben aus seinem Mund. Seine Versuche, sich zu wehren, ließen allmählich nach. Colobi legte ihm eine Hand auf die Schnauze und schob den Unterkiefer nach unten, während er sie mit leeren Augen anstarrte. Sie rieb die letzten Reste der Paste direkt auf seine Zunge.
»Nun«, sagte Blasphet. »Ist das nicht besser?«
Arvelizan drehte sich wieder zu Blasphet um. »Ja«, flüsterte er.
»Ja, was?«
»Ja, Mördergott«, sagte Arvelizan.
»Bindet ihn los«, sagte Blasphet.
Colobi wirkte vollkommen ruhig, als sie aufstand und ihren beschmierten Handschuh auszog. Sie warf ihn zur Seite, während die anderen Schwestern herbeikamen und Arvelizans Seile durchtrennten.
»Steh auf«, sagte Blasphet.
Arvelizan stand auf. Er wirkte wachsamer, als Blasphet vermutet hatte. Abgesehen von dem gelben Speichel, der von seinem Kinn tropfte, zeigte er keinerlei Hinweise darauf, dass er die starke Droge eingenommen hatte.
»Und jetzt verbeuge dich vor mir«, sagte Blasphet.
Arvelizan ließ sich auf alle viere fallen und berührte den Boden mit dem Kinn. Er breitete die Flügel zu den Seiten aus, als wären es riesige rote Teppiche, während er sich in eine Haltung bedingungsloser Unterwerfung begab.
»Wirklich, deine Werke sind mächtig, oh Mördergott«, sagte Colobi und starrte den jetzt gehorsamen Drachen an.
»Das will ich nicht leugnen«, sagte Blasphet. »Allerdings bin ich mir nicht sicher, wie lange uns unser Freund hier von Nutzen sein wird. Die Paste hat auflösende und trennende Eigenschaften; Arvelizan ist gehorsam, weil sein Gefühl für seine eigene Identität unterdrückt wird. Leider zersetzt die Paste das Gehirn. Er funktioniert jetzt, aber er wird in den nächsten Tagen immer schläfriger und unbeholfener werden. Hoffen wir, dass uns ein paar Tage reichen. Schafft ihn nach draußen und passt ihm das Geschirr an. Sorgt dafür, dass sämtliche Schwestern der Himmelsgruppe die Gelegenheit bekommen zu reiten. Ich werde die Küche anweisen, noch mehr Paste zuzubereiten. Ich will, dass du die verstohlenste Gruppe zusammenstellst, die möglich ist. Ich werde euch schon bald in den Bauch der Bestie schicken.«
Kapitel Zwölf
Spuren der Güte
D ie Walküren hielten die Speere angriffsbereit und näherten sich Pet. Er hatte schon seit langem vermutet, dass er eines Tages durch einen Mob rachsüchtiger Frauen sterben würde, aber irgendwie hatte er nicht mit so etwas gerechnet.
»Halt!«, rief Shandrazel. Seine Stimme dröhnte durch den Friedenssaal. »Waffen senken, Walküren!«
Die Walküren blieben abrupt stehen und warfen einen Blick zurück zu Zorasta. Die Diplomatin der Walküren wandte sich dem König zu.
»Bitterholz’ Sünden verlangen Gerechtigkeit«, sagte Zorasta mit fester Stimme. »Er hat Euren Vater und Euren Bruder getötet. Wieso wollt Ihr diese Gespräche mit der Anwesenheit eines bekennenden Mörders beflecken?«
»Dieser Mann hat meinen Vater nicht getötet«, sagte Shandrazel. »Es ist nur zu bekannt, wo er sich zum Zeitpunkt des Todes meines Vaters aufgehalten hat.«
»Was ist mit Eurem Bruder Bodiel? Der Mann hat sich dieses Verbrechens für schuldig bekannt.«
Was stimmte. Pet hatte es gestanden; er hatte sogar damit geprahlt. Er hatte es nur nicht wirklich getan. Er hatte es zugegeben, weil die Armee des Königs angefangen hatte, nacheinander
die Leute aus seinem Heimatdorf abzuschlachten, und damit weitermachen wollte, bis sie Bitterholz auslieferten. Er hatte es gestanden und damit dem Töten ein Ende bereitet, zum Teil angetrieben von einem schwachen Schimmer von Mut in seinem Innern, zum anderen Teil getrieben von dem Wunsch – wie er zugeben musste –, Jandra zu beeindrucken. Hätte sie ihn nicht den ganzen Tag lang wegen seiner Feigheit gescholten, hätte er vermutlich keine derartige Entscheidung getroffen. Schauspielerei und Täuschung waren angeborene Fähigkeiten von Pet; es war nicht so schwer gewesen, die Rolle des Helden zu spielen. Dennoch war vielleicht jetzt ein guter Zeitpunkt, sich davon zu lösen. Vielleicht konnte er die Situation entschärfen, indem er erklärte, dass sein
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