Die Herrschaft Der Drachen 02 - Jandra
zulassen, dass diese Konferenz erfolgreich endet«, sagte Nadala. Sie klang verbittert. »Die Matriarchin hat befohlen, dass wir die bestehende Weltordnung nicht aufs Spiel setzen dürfen. Ich wünschte, sie wäre offener gegenüber der Möglichkeit, dass die Welt verbessert werden könnte.«
Graxen spürte, wie sein Herz flatterte, als er die Bedeutung ihrer Worte erkannte.
»Dann bist du nicht glücklich damit, wie es ist? Du träumst davon, die alten Weisen zu verändern?«
»Eine Walküre hat keine Träume«, sagte Nadala. Ihre Stimme klang fest und irgendwie nicht so, als wäre es ihre eigene. Es war, als würde sie auswendig gelernte Worte sprechen. »Eine Walküre hat keinen eigenen Willen, keine eigenen Begierden, abgesehen davon, der Matriarchin zu dienen. Wir leben und sterben für das größere Wohl.«
Graxen ließ sich von der Regenrinne auf das Balkongeländer hinunter und drehte sich dabei herum, um sie ansehen zu können. Er landete so sacht wie ein Blatt. So sanft wie möglich sagte er: »Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Du hast mich freundlich behandelt, während deine Schwestern mich abgewiesen haben. Du bist genauso ein Individuum wie eine Walküre.«
»In der Hitze des Gefechts kann es keine Individualität geben«, sagte Nadala. Jetzt klang sie nicht mehr so, als würde sie vorgefertigte Worte nachsagen. Sie glaubte sie. »Eine Walküre muss Teil einer größeren Einheit sein. Gemeinsam sind wir unschlagbar.«
»Aber das Leben ist nicht immer ein Kampf«, sagte Graxen. »Shandrazel will der Welt eine Zeit des Friedens bringen.«
»Es wird nie dauerhaften Frieden geben«, sagte Nadala.
»Schon gar nicht in dieser Zeit des Umbruchs nach dem Tod eines Königs. Ich weiß mit der Gewissheit, mit der die Nacht dem Tag folgt, dass ich schon bald in die Schlacht gerufen werde. Meine Unterwerfung unter die Einheit muss vollkommen sein.«
Nadala klang schicksalsergeben, als sie das sagte. Ihre Augen sahen an Graxen vorbei in die Ferne, als würde sie die zukünftige Schlacht sehen.
Graxen nickte; er erkannte die Weisheit in ihren Worten an.
»Du hast recht«, sagte er. »Es war ein dummer Traum von mir.«
Plötzlich trafen sich ihre Blicke. »Erzähl mir von deinen Träumen, Graxen der Graue«, flüsterte sie.
»Ich würde mich nur in deinen Augen erniedrigen, wenn ich von solchen Phantasien spreche«, sagte er.
»Nein«, entgegnete sie. »Ich bin fasziniert von Träumen. Ich beneide deine Freiheit, sie zu träumen.«
Graxen wäre lieber vom Balkon gesprungen und weggeflogen, statt seine Gedanken preiszugeben. Aber er sehnte sich schon so lange danach, mit jemandem über seine tiefsten Hoffnungen zu sprechen. Er war nie zuvor danach gefragt worden; er konnte jetzt nicht weglaufen. »Bevor ich bei der Matriarchin war, habe ich davon geträumt … ich habe davon geträumt, dass ich mich paaren darf. Es ist vollkommen dumm. Ich weiß, dass jahrhundertelange, sorgfältige Planungen nicht einfach beiseitegeschoben werden können, um die Hoffnungen einer Verirrung zu erfüllen. Und trotzdem … trotzdem habe ich davon geträumt und hoffe ich immer noch.«
»Ich bewundere dich dafür, dass du deine Träume bewahren kannst«, sagte sie. »Es ist viele Jahre her, seit wahre Hoffnung in meinem Herzen gebrannt hat.«
»Aber sicherlich wirst du die Erlaubnis bekommen, dich zu
paaren«, sagte er. »Du musst sehr geachtet sein, wenn du für Zorasta Wache stehst. Ich weiß aus Erfahrung, dass du eine beachtliche Kriegerin bist.«
Nadala senkte den Blick, während er das sagte, als wäre ihr die ganze Sache peinlich. Trotz ihres offensichtlichen Unbehagens sagte sie: »Ich finde die Möglichkeit, dass ich als Bruttier ausgewählt werden soll, ebenso grauenhaft wie hoffnungsvoll. Ich bekomme nicht die Erlaubnis, mir meinen Partner selbst auszusuchen; er wird mir zugewiesen werden. Die Matriarchin wählt Biologen aus, die sich in den intellektuellen Künsten hervortun, aber häufig lassen es diese Biologen an den grundlegendsten Vorstellungen für Würde fehlen. Ihr Leben lang werden sie für ihre Größe gelobt, und dann widmen sie sich der Paarung, als wäre es irgendein Preis, den sie sich verdient haben. «
»Ich habe die Prahlereien der Erwählten gehört«, gestand Graxen. »Sie scheinen sich darin zu gefallen zu beschreiben, wie sie, äh, das Weibchen beherrscht haben. Ich glaube, sie müssen irgendetwas unbedingt ausgleichen. Viele Biologen fürchten sich vor der Macht der Walküren; sie
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