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Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet

Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet

Titel: Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Maxey
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sich am westlichen Ufer von Atlantis. Die Sonne stand tief über den Wellen. In ein oder zwei Stunden würde es dunkel sein. Der Ozean, der ans Ufer schwappte, war atemberaubend, von einem strahlenden Blau, das auch wunderbar zu den Flügeln eines tropischen Schmetterlings gepasst hätte. Wenn all das hier erst einmal vorbei war, würde sie eine Ladung Schmetterlinge zusammenpantschen, als Fleischfresser konzipiert und so groß wie kleine Adler, aber immer noch wunderschön. Vor ihrem geistigen Auge nahmen die dafür erforderlichen DNA-Ketten Gestalt an.
    Jazz erhob sich und wischte sich den Sand von ihrem silbrigen Hintern. Sie reckte den Hals, um so viel wie möglich von ihrem neuen Körper sehen zu können. Sie sah gut aus in Chrom, besser, als sie gedacht hätte. Trotz ihrer High-Tech-Fähigkeiten hatte Jazz sich in Sachen Kleidung stets einen einfachen, bodenständigen Geschmack bewahrt – Jeans, Baumwollhemden, Hanfsandalen. Ihre vegetarische Ader war so ausgeprägt gewesen, dass sie auch Leder abgelehnt hatte, aber sie musste zugeben, dass Jandras wadenhohe schwarze Stiefel gut zu ihren spiegelglatten Beinen passten. Die Tatsache, dass sie abgewetzt und abgetragen waren, bildete einen angenehmen Kontrast zu der ansonsten an ihrem Körper vorherrschenden, maschinenhaften Perfektion. Die Gründe für ihre uralte
vegetarische Einstellung standen ohnehin auf schwankendem Boden. Sie war ehrlich genug zuzugeben, dass sie schon seit geraumer Zeit von dem hohen moralischen Ross, auf dem sie gesessen hatte, heruntergefallen war – seit sie dazu übergegangen war, die Lebewesen zu töten, die den gleichen Planeten bewohnten wie sie. Jandra hatte ihr ganzes Leben lang Fleisch gegessen. Ihr Gehirn wimmelte nur so von Zellen, die darauf programmiert waren, den Geschmack von Fisch zu mögen. Vielleicht war es an der Zeit, Sushi zu probieren.
    Jazz sah auf und blickte den Strand entlang. Nicht ein einziger Sushi-Verkäufer war in Sicht. Tatsächlich war der Strand menschenleer. Sechs Milliarden Leute lebten in Atlantis, und nicht einer machte sich die Mühe, an einem so vollkommenen Tag zum Strand zu gehen. Natürlich war dieser Strand jeden Tag vollkommen. Das war schon immer der grundlegende Fehler dieser Stadt gewesen. Nach tausend Jahren Paradies langweilten sich selbst die harmlosesten Seelen.
    Sie sah zu den Türmen hoch, die sich hinter ihr befanden. Die höchsten Spitzen ragten so hoch in den blauen Himmel, dass sie sich im Dunst verloren, um irgendwo außerhalb der Atmosphäre zu enden. Weit oben war eine schattenhafte Bewegung vor der hell pinkfarbenen Oberfläche eines der Türme zu sehen, und sie beauftragte die Naniten in ihrer Netzhaut, die Photonen neu zu verarbeiten, die auf sie fielen, um ein schärferes Bild zu erhalten. Es war ein Mann, der nach unten fiel und dabei mit den Armen wedelte, als wären sie Flügel. Er schien zu lachen. Rasch bemerkte Jazz einen anderen Mann, und dann eine Frau, die parallel dazu ebenfalls nach unten stürzten. Jetzt, da sie darauf aufmerksam geworden war, fand sie mühelos einhundert weitere solcher Leute. Einige lachten wie der erste Mann, den sie gesehen hatte, aber andere weinten vor Entsetzen. Die Leute verschwanden
nacheinander hinter den niedrigeren Türmen, die die ganz hohen umgaben. Jazz konnte nur hoffen, dass wer immer dort unten zufällig vorbeiging, einen Hochleistungs-Regenschirm dabeihatte.
    »Wenn deine Freunde von einem Gebäude runterspringen, würdest du es dann nachmachen?«, fragte sie laut, als ihr die Frage in den Sinn kam, die ihr Vater ihr zehn Jahrhunderte zuvor gestellt hatte. Sie schüttelte angewidert den Kopf. Zeit, sich an die Arbeit zu machen. »Such Cassie«, sagte sie.
    Ihr Flaschengeist reagierte sofort, indem er sich in den Datenstrom einhackte, der wie ein unsichtbarer Fluss den Strand entlangströmte. In Atlantis war jeder Kubikzentimeter Luft von Naniten durchdrungen, die darauf warteten, den Bewohnern der Stadt helfen zu können. Jazz’ Blicke wanderten wieder den höchsten Turm hinauf, den Bethlehem-Turm. Ein leuchtend grüner Lichtkreis flackerte um ein Fenster, das aus dieser Entfernung nicht mehr als ein Fleck war, selbst mit der Feineinstellung der Naniten. Aber sie hatte die Koordinaten, und mehr brauchte sie nicht.
    Sie wartete noch ein paar Augenblicke länger, stahl ein paar weitere mikroskopische Maschinen und begab sich in das schwindende Sonnenlicht, um sie voll aufzuladen. Schon bald fühlten ihre Rippen sich besser an,

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