Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
roch faulig, ein Gestank, der über die beinahe fünfzehn Fuß Entfernung bis zu Jandra reichte, als er sagte: »Du bist es.«
Der alte Mann schaukelte nach vorn und sah Jandra, Vance und Shay an. »Wo ist Burke?«, fragte er. Anza reichte ihm einen zusammengefalteten Brief. Er nahm das Papier unbeholfen in seine knochigen Finger.
»Ihr müsst Dorny sein«, sagte Shay.
»So nennen mich meine Freunde«, sagte der alte Mann. Er sprach leicht undeutlich. »Dor Nachtigall ist mein Geburtsname. « Er klang ziemlich stolz darauf. Dann sah er sich in der leeren Schenke um und faltete den Brief langsam und unbeholfen auseinander, mit vorsichtigen Bewegungen, da seine Hände so verunstaltet waren. »Ich schätze, ich bin wieder eingeschlafen. « Er grinste dümmlich. »Habe wohl ein paar zu viel zum Geburtstag getrunken.«
»Zu wessen Geburtstag?«, fragte Shay.
»Es hat immer wer Geburtstag«, sagte Dorny. Er stand schwankend auf. Sein offener, abgetragener Umhang hing locker um seinen Körper.
Anza ging zur Feuerstelle und stocherte in der Asche herum. Das Licht wurde heller, als die Flammen wieder zum Leben erweckt wurden. Eine große Uhr bei der Feuerstelle tickte rhythmisch, während sie arbeitete. Dann plötzlich wurde
das Ticken von dem Geräusch von Zahnrädern übertönt, das im Innern des Holzgestells der Uhr erklang. Eine Tür öffnete sich in der Nähe des Bodens, und ein Messingfrosch hüpfte heraus. Er stieß eine Reihe von quakenden Geräuschen aus, ein lautes, metallisches Geräusch, das irgendwo zwischen dem Raspeln eines Waschbretts und dem Läuten einer Glocke lag. Der Frosch hüpfte im Kreis zurück in die Uhr. Die Zahnräder erklangen erneut, als die Tür sich schloss.
»Das ist ja seltsam«, sagte Vance.
»Man gewöhnt sich dran«, sagte Dorny und betrachtete den Brief. »Einer von Burkes vielen Apparaten, so wie der Schachaffe. Er bastelt ständig an irgendwas rum.« Er blinzelte, als er den Brief überflog. »Anscheinend geht es hier aber um mehr, als nur ein bisschen herumzubasteln. Liege ich richtig? Er hat wirklich die Kontrolle über die Gießereien übernommen?«
»Ja«, sagte Jandra. »Aber es gab ein paar unvorhersehbare Folgen. Die besiegten Drachenarmeen rächen sich an den Menschen, indem sie die Dörfer plündern und alle töten.«
Dorny schüttelte den Kopf. »Das sind überhaupt keine unvorhersehbaren Folgen, Mädchen. Burke hat gewusst, was passieren würde. Er hat die letzten zwanzig Jahre damit verbracht, die Drachen zu stürzen, aber er hat wie ein Schachspieler immer zehn Schritte vorausgedacht. Es fiel ihm nicht schwer, sich hundert Eröffnungszüge vorzustellen, mit denen er einen raschen und zufriedenstellenden Sieg über die Drachen errungen hätte. Aber jedem dieser Siege wären Chaos und Gemetzel überall im ganzen Königreich gefolgt. Er hätte jederzeit einen Krieg anzetteln können, den er auch gewonnen hätte. Aber er hat es nicht getan, weil er nicht wollte, dass das Blut von Unschuldigen an seinen Händen klebt. Er hätte bis an den Rest seines Lebens in Ruhe und Frieden hier leben können, hätte Ragnar ihn nicht dazu gezwungen, sich an diesem Krieg zu beteiligen.«
Anza runzelte die Stirn, während Dorny sprach. Sie starrte ihn finster an und gestikulierte heftig. Dorny blickte beschämt drein.
»Du hast Recht«, sagte er. »Burke hätte sich nie von Ragnar zu etwas zwingen lassen, wenn es nicht bereits in seinem Herzen gewesen wäre. Ich war hier, als der Prophet Burke herausgefordert hat. Burke hätte ihn auf der Stelle töten können. Wir beide wissen das. Aber wie immer Burkes Einstellung den Drachen gegenüber auch gewesen sein mag, ich glaube dennoch, dass bei dieser Sache sein Verstand die Kontrolle hatte. Ragnar dagegen ist nichts als Gefühl, als wäre er Burkes Gestalt gewordene, verborgene Wut. Ragnar brauchte Burke, aber vielleicht brauchte Burke auch Ragnar.«
Die Ausführungen des alten Mannes überraschten Jandra. Auf den ersten Blick war er ihr lediglich wie ein alter Bauer vorgekommen, noch dazu ein Säufer. Aber was er sagte, verriet ein Ausmaß an Bildung und Nachdenklichkeit, wie sie es bei anderen Menschen nur selten erlebte.
Anza gestikulierte erneut, und Dorny nickte. »Du hast Recht«, sagte er und ging zum Tresen. »Packen wir alles zusammen. Wir haben möglicherweise nicht mehr viel Zeit.« Er ging auf die Tür zu, die sich hinter dem Tresen befand und zur Küche führte, marschierte dann weiter zu einer zweiten Tür, hinter der
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