Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
eine Lampe und ging neben Dorny her zum anderen Ende des Backsteintunnels. Vance folgte ihnen. Shay blieb im Werkraum zurück und nahm Bücher aus den Regalen, deren Titelseiten er ehrfürchtig ansah. Jandra beschloss, ebenfalls zurückzubleiben. Sie hatte die Gelegenheit gehabt, Burkes Werk in Drachenschmiede zu bewundern, und die vielen unbekannten Werkzeuge, die überall herumlagen, faszinierten sie.
Frische Luft wehte durch den Raum, als Anza und die anderen das Ende des Tunnels erreichten und die breiten Türen öffneten, die nach draußen führten. Jandra blickte den langen Gang entlang und sah Sternenlicht.
Shay schnappte geräuschvoll nach Luft, und Jandra sah ihn an. Er stand vor dem Bücherregal.
»Bei den Gebeinen!«, sagte Shay. »Er hat alle sieben!«
»Alle sieben?«
»Die Potter-Biographien! Das Kolleg der Türme besitzt nur fünf Bände … das heißt vier, seit ich eines gestohlen habe.«
»Und was ist so Besonderes an diesen Büchern?« Jandra nahm einen der dicken Bände und schlug ihn auf.
»Potter gehörte zu einer Rasse von Zauberern, die gegen Ende des Zeitalters der Menschen existiert hat«, erklärte Shay.
Jandra runzelte die Stirn, während sie in dem Band herumblätterte. »Bist du sicher, dass das nicht irgendeine Dichtung ist?«, fragte sie.
»Die Bücher scheinen Dichtung zu sein«, sagte Shay. »Aber es gibt Gegenstände, die die Wahrheit enthüllen. Ich gehe nicht davon aus, dass du weißt, was eine Fotografie ist, aber …«
»Ich weiß, was eine Fotografie ist«, sagte sie. Tatsächlich wusste die Göttin, was eine Fotografie war, und Jandra lieh sich nur ihre Erinnerung.
»Auf Fotografien ist die körperliche Welt aufgezeichnet, und es gibt noch eine Handvoll, auf denen dieser berühmte Zauberer zu sehen ist. Einige zeigen ihn bei seinem Flug auf einem …« Seine Stimme verklang. Er drehte sich zu Jandra um und musterte vorsichtig ihr Gesicht. Sie wusste, was er wissen wollte.
»Stimmt es, dass du dich mit Magie auskennst? Dass du ebenso wie dein Herr Vendevorex die übernatürlichen Kräfte befehligst? Bist du jemand von dieser verborgenen Rasse?« Seine Stimme klang leise, als er dies fragte, und der Ton war beinahe ehrfurchtsvoll.
Jandra wickelte sich eine Haarlocke um ihre Finger, als sie darüber nachdachte, was sie antworten sollte. Als sie noch ihren Flaschengeist gehabt hatte und in der Lage gewesen war, sich unsichtbar zu machen oder feste Materie aufzulösen, als sie noch fast alle Wunden hatte heilen können, hatte sie gern abgestritten, irgendwelche übernatürlichen Kräfte zu besitzen. Sie hatte Angst davor gehabt, als Hexe bezeichnet zu werden. Jetzt dagegen, seit ihr diese Macht geraubt worden war, konnte es gefährlich sein, sie zu leugnen. Sie besaß bereits Macht, wenn sie die Leute in dem Glauben ließ, übernatürliche Fähigkeiten zu besitzen.
Sie beschloss, die Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten. »Wie hat dieser Potter denn seine Magie beherrscht?«
»Mit einem Zauberstab und Worten. Beherrschst du deine Magie auch so?«
Jandra war fasziniert. Ihr Flaschengeist konnte jede gewünschte Gestalt annehmen. Wieso nicht die eines Zauberstabs? Natürlich hatte sie nie irgendwelche magischen Worte benötigt – der Flaschengeist reagierte einfach auf ihre Gedanken. Dennoch … konnte dieser Potter womöglich ein Nanotechniker gewesen sein? Vielleicht eines der Wesen aus Atlantis, vor denen Vendevorex sie gewarnt hatte?
Sie wusste wenig über Atlantis, aber vielleicht wusste Shay mehr. »Hast du jemals von Atlantis gehört?«
»Natürlich«, sagte Shay. »Darüber wird in …«
Er unterbrach sich, legte den Kopf schief und horchte in Richtung Tunnel.
Jandra neigte ihren Kopf ebenfalls. Was war das für ein Lärm? Schrie da jemand?
Und dann bestand kein Zweifel mehr. Es war Dornys Stimme, die sie hörten, während er zu den Türen des Tunnels rannte. Er stolperte, als er das Gefälle erreichte, und fiel vornüber auf die Brust. Bei dem Sturz verschlug es ihm den Atem. Er kämpfte sich auf die Knie und atmete mühsam ein. Seine hohe Stimme hallte in der gesamten Werkstatt wider, als er voller Panik schrie: »Drachen!«
Kapitel Sechs
Mehr oder weniger ein Sieg
D as Gewehr schussbereit in den Händen, lief Jandra den Tunnel entlang. Sie blieb bei Dorny stehen, der immer noch ausgestreckt auf dem Boden lag, und warf einen Blick zurück zu Shay, der ihr mit bleichem Gesicht folgte.
»Hast du jemals einen Kampf erlebt?«, fragte
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