Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
das Gewehr in seiner Vorderklaue. Er zuckte leicht zusammen, als er den Abzug betätigte; zweifellos rechnete er mit einer Explosion. Aber der Feuerstein schoss seine Funken in eine leere Kammer. Shay hatte noch nicht wieder nachgeladen. Vulpinus blickte verblüfft drein, während Jandra ihren Ladestock herausnahm. Sie legte das Gewehr an die Schulter und fauchte: »So funktioniert es!«
Bevor ihre Finger den Abzug betätigen konnten, wirbelte Vulpinus herum. Sein langer, peitschenähnlicher Schwanz traf den Gewehrlauf im gleichen Moment, in dem sie feuerte. Als der Rauch sich gelegt hatte, sah sie Vulpinus immer noch stehen. Er wirkte erheitert und machte einen Satz auf sie zu, riss dabei sein Maul weit auf. Jandra schwang den eisernen Lauf ihrer Schrotflinte, packte das Metall mit beiden Händen. Die gerade erst abgefeuerte Flinte verbrannte ihr die Finger, als sie sie seitlich in Vulpinus’ Maul rammte und damit verhinderte, dass er zubiss. Der Sklavenjäger stieß Jandra zurück und schob sie zum Rand des Daches. Er konnte zwar nicht zubeißen, besaß aber immer noch etliche natürliche Waffen. Er trat Jandra
mit einer Hinterklaue in die Eingeweide und zog ihr die Krallen über den Körper … bis sie abbrachen. Jandra dankte Burke im Stillen dafür, dass er darauf bestanden hatte, dass sie das Kettenhemd unter ihrem Umhang trug.
»Nicht essen!«, rief eine dünne Stimme. Der Sklavenjäger fauchte und taumelte zurück, als Echs sich von seinem Versteck beim Schornstein löste und auf Vulpinus’ Rücken sprang. Seine Klauen gruben sich ins Fleisch des Himmelsdrachen, während er sich mit seinem Schildkrötenschnabel in Vulpinus’ Schulterblatt festbiss.
Vulpinus schnaubte und wischte mit einer peitschenden Bewegung des Schwanzes Echs von seinem Rücken. »Schluss mit dem Irrsinn.« Mit einem gewaltigen Satz schwang er sich in die Luft, zerteilte den Rauch mit den mächtigen Schlägen seiner zwanzig Fuß breiten Flügel. An einem Dutzend Stellen brachen kleine Feuer auf dem Holzdach aus.
Jandra versuchte nachzuladen, aber es war hoffnungslos. Vulpinus stieg mit jeder Sekunde höher. Als sie schließlich den nächsten Schuss hätte abfeuern können, war er bereits etliche hundert Schritt entfernt. Dennoch – sie hatten den berüchtigtsten Sklavenjäger im ganzen Königreich vertrieben, was sie mehr oder weniger als Sieg betrachtete.
Echs sprang auf Jandras Schulter. »Böse heiß«, sagte er und blickte zu den Flammen.
»Es ist alles gut«, sagte Jandra und ging zu Shay. Sie war sich nicht sicher, ob sie es sich einbildete, oder ob das Dach sich mittlerweile wirklich wackliger anfühlte. Die Erddrachen konnten das Feuer höchstens Minuten zuvor gelegt haben. Selbst wenn man den Wind in Betracht zog, der die Flammen zusätzlich anfachte, kam es ihr seltsam vor, dass sie bereits so viel Schaden angerichtet haben sollten. Fast wie als Antwort darauf ächzte unter ihr etwas, um kurz darauf zusammenzukrachen.
Sie fragte sich, ob Anza es wohl noch ins Freie geschafft hatte.
»Shay!«, rief sie und kniete sich neben ihn. Sie rüttelte ihn an den Schultern.
Er öffnete die Augen und stöhnte. Eine große, klaffende Wunde zeichnete sein Kinn. Heftig hustend setzte er sich auf, während der Rauch um sie herum immer dichter wurde. Er wirkte etwas durcheinander. »Wo ist Vulpinus?«, fragte er.
»Weg«, sagte Jandra. »Ich vermute, es hat ihn zu sehr verwirrt, dass mein Gewehr funktioniert hat und seines nicht. Echs hat sich wie ein Luchs auf ihn gestürzt, woraufhin Vulpinus schließlich den Schwanz eingezogen hat.«
»Warte, warte. Wieso sein Gewehr?«
»Er hat dir deines abgenommen. Auch deine Munition. Ich hoffe, er ist nicht klug genug, um herauszufinden, wie man es benutzt.« Shay sah aus, als würde er sich wundern, dass Jandra so etwas Dummes sagen konnte. »Ich klammere mich an jede Hoffnung, die ich im Augenblick kriegen kann, auch an eine falsche. Du hast vielleicht bemerkt, dass wir uns auf einem brennenden Gebäude befinden. Und im Gegensatz zu diesem Zauberer, den du vorhin erwähnt hast, kann ich nicht fliegen.«
»Dann ist es ja gut, dass Vance die Leiter hochgezogen hat«, sagte Shay und erhob sich. »Damit können wir uns aufs Dach der Veranda runterlassen und von da aus auf den Boden kommen. «
Jandra nickte. Das klang nach einem guten Plan. Shay ließ die Leiter auf das Vordach hinunter und hielt sie fest, während er ihr bedeutete, zuerst zu gehen. Es war eine Geste, mit der sie nicht
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