Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
ZING erklang und ein zweiter Drache, der sich Anza näherte, plötzlich einen Pfeil im Bauch hatte.
Bitterholz?, dachte Jandra.
Noch ein ZING – und Jandra erinnerte sich, wo sie das Geräusch schon einmal gehört hatte. Es war ein Bogen der Himmelsmauer. Vance stand auf dem Dach von Burkes Schenke und tötete mit jedem Schuss einen Drachen. Der Junge war wirklich so gut, wie Burke behauptet hatte.
Auch Anza wurde ihrem Ruf gerecht. Obwohl Vance ein halbes Dutzend Drachen in weniger als einer Minute tötete, waren einige der schuppigen Soldaten ihr schon sehr nahe, und es kamen noch mehr. Anza stellte sich ihnen gelassen entgegen; ihr Gesicht verriet keinerlei Gefühle.
Sie hielt die Arme dicht vor der Brust und ging in Kauerstellung, so dass sie den massigen Erddrachen gegenüber sehr klein wirkte. Obwohl sie größer war als Jandra, hatte sie die schlanke Gestalt eines Mädchens unter zwanzig. Jeder einzelne Drache, der jetzt auf sie zukam, wog dreimal so viel wie sie, und sie alle waren schwer gerüstet, während sie selbst nichts als Hirschleder trug.
Jandra hob ihre Schrotflinte und fragte sich, wie nah an Anza sie sich ein Ziel suchen durfte, ohne zu riskieren, dass diese ebenfalls getroffen wurde.
Bevor sie den Abzug betätigen konnte, entfaltete sich Anza in einer Bewegung, die Jandra an eine sich öffnende Blume erinnerte, nur dass sie das mit der gleichen Geschwindigkeit tat, mit der ein Pfeil von einem Bogen schnellte. Ihre Klingen blitzten im Mondlicht auf, und plötzlich wurde der schildkrötenartige Kopf eines Erddrachen von den Schultern befreit, die ihn bisher gehalten hatten. Die Axthand eines zweiten Drachen fiel zu Boden, woraufhin ihr Besitzer mit großen Augen auf den Blut verspritzenden Stumpf starrte.
Während Vance weiter Pfeile von oben auf die Drachen schoss, wirbelte Anza wie ein Derwisch. Drachen sanken in
einem ordentlichen Kreis um sie herum zu Boden. Ihre blutigen Körper bildeten eine kleine Mauer, über die die anderen Drachen hinwegsteigen mussten. Sie verharrte einen Moment, als die übrigen Drachen zögerten und mit weit offenen Mäulern auf ihre getöteten Brüder hinunterschauten.
In der Ferne erklang ein zweites BUMM. Jandra verzog das Gesicht. Wenn Shay mehr Drachen tötete als sie, legte sie sich wohl nicht so richtig ins Zeug. Sie rannte auf die Veranda. Die Pferde waren weg. Vielleicht waren sie geflohen, als der Angriff begonnen hatte. Sie konnte nur hoffen, dass es Echs gut ging.
Vor der Tür zur Schenke blieb sie stehen und drückte gegen die einzelne Schindel, wie sie es zuvor bei Anza gesehen hatte. Dann trat sie auf die Türschwelle und blickte zurück zur Straße. Sie hob die Schrotflinte und feuerte in die Drachenmenge. Ohne sich das Ergebnis ihres Schusses anzusehen schlug sie die Tür hinter sich zu und lief die Stufen zum ersten Stock hoch. Dort gab es eine offene Falltür zum Dach. Eine Leiter lehnte an der Öffnung. Sie kletterte hoch und sah Vance. Der Junge erschrak, als er sie auf das Flachdach kommen hörte, und wirbelte herum; er hatte bereits einen Pfeil an die Sehne gelegt. Sie zuckte zusammen und dachte kurz, dass dies eine dumme Art und Weise wäre zu sterben – und entspannte sich, als Vance den Bogen wieder sinken ließ.
»Uh!«, sagte er. »Gut, dass mir die Pfeile allmählich ausgehen. Noch vor einer Minute hätte ich erst geschossen und dann nachgesehen, wen ich getroffen habe.«
»Wie viele Pfeile sind noch übrig?«, fragte Jandra und lief zu ihm zum Rand des Daches.
»Drei«, sagte Vance.
»Burke muss größere Köcher machen«, sagte Jandra und blickte hinunter auf die Straße. Anza war jetzt von mindestens
fünfzig Drachen umzingelt. Aber wer wusste schon, wie viele noch in den Häusern der Dorfbewohner Unheil anrichteten?
Aber Anza war nicht ganz allein. Ein zweiter Knall ertönte, sehr viel näher jetzt, als Shay erneut feuerte. Einige Drachen hinter Anza fielen. Jandra wusste nicht, wo Shay war, aber offenbar behauptete er sich. Ein Stück weiter die Straße entlang sah sie ein halbes Dutzend Menschen dicht beisammenstehen. Die Männer waren im mittleren Alter und hatten Langschwerter, die dem von Anza ähnelten. Obwohl sie Nachtkleidung trugen, hatten sie wenigstens Helme und Schilde. Sie griffen eine kleine Gruppe von Drachen in der Nähe der Scheune an und beteiligten sich am Kampf.
Inzwischen lagen noch mehr Drachen um Anza herum auf dem Boden; es mussten mindestens dreißig Leichen sein. Jandra verspürte ein nagendes
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