Die Herrschaft der Orks
glaubten. Sie haben uns gerettet.«
Es war Dag anzusehen, dass ihm diese Deutung nicht unbedingt gefiel – widersprechen konnte er aber auch nicht.
»Ich fürchte, ich muss dich enttäuschen, Prinzessin«, entgegnete Rammar daraufhin, »denn wenn du mich fragst, ist jetzt erst recht alles verloren.«
»Was meinst du?«
»Das kleine Problem da unten«, rückte Balbok heraus und deutete nach Nordwesten.
Sich an den Seilen festhaltend, mit denen die Gondel an der Luftblase befestigt war, humpelte Dag zur anderen Seite und warf einen Blick über die niedrige Reling. Aryanwen tat es ihm gleich. Was sie sahen, ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren.
Ein schwarzes Band war in der Ferne zu sehen, das sich über die hügeligen Ausläufer der Berge wälzte, geradewegs auf Andaril zu. Dag und Aryanwen war sofort klar, worauf sie dort blickten – auf eine Streitmacht der Zwerge. Und ihnen war auch klar, dass Winmar nicht auf einen schnellen Raubzug aus war.
Nachdem er sich den Norden Erdwelts bereits unterworfen hatte, wollte er nun auch Ansun und Tirgaslan – und die Orks, die das Rückgrat beider Heere gebildet hatten, waren in Scharen desertiert und geflüchtet …
»Wir konnten ja nicht ahnen, dass die Hutzelbärte kommen würden«, gestand Rammar, und es hörte sich ein wenig zerknirscht an. »Andernfalls hätten wir unsere Vorstellung noch ein wenig hinausgeschoben.«
»Korr« , stimmte Balbok kleinlaut zu.
»Jetzt ist nicht die Zeit, zu hadern«, meinte Dag, der angesichts des herannahenden Feindes eine bewundernswerte Besonnenheit an den Tag legte. »Wenn Winmar angreift, dann wohl, weil er denkt, seiner Intrige wäre Erfolg beschieden gewesen und wir hätten uns gegenseitig massakriert. Er weiß nicht, dass es nicht zur Schlacht gekommen ist.«
»Und?«, fragte Rammar.
Dag wandte sich Aryanwen zu. Die beiden schienen keiner Worte zu bedürfen, um sich zu verständigen. In stillem Einvernehmen reichten sie einander die Hände.
»Er soll erfahren, dass sein Plan fehlgeschlagen ist, bevor sein Heer eintrifft«, erklärte Aryanwen mit fester Stimme. »Zwischen den Reichen Ansun und Tirgaslan herrscht nicht länger Krieg. Sie werden zusammenstehen und sich gemeinsam gegen den Aggressor verteidigen, so wie sie es längst hätten tun sollen.«
»Ich muss umgehend meinen Vater und unsere Truppen unterrichten«, erwiderte Dag.
»Und ich werde zu meinem Volk gehen und ihm klarmachen, dass unser Platz in diesem Konflikt an der Seite von Andaril ist«, bestätigte Aryanwen.
»Und wenn sie nicht auf dich hören?«
»Vergiss nicht, dass ich ihre neue Königin bin.«
»Aber du hast Feinde, die nicht wollen, dass der Krieg zwischen unseren Reichen endet. Möglicherweise hatten die beiden Verräter Verbündete.«
»Lass das mal unsere Sorge sein«, schnaubte Rammar und war von sich selbst am meisten überrascht. »Wir begleiten die holde Maid. Wer ihr was antun will, muss zuerst mal an uns vorbei.«
»Korr« , stimmte Balbok zu, jetzt nicht mehr kleinlaut, sondern bitter entschlossen.
»Rammar, ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Aryanwen blickte ihn verwundert an.
»Hoffentlich«, schnauzte Rammar. »Dein Geschwätz geht mir gehörig auf die Nerven.«
Aryanwen lachte. »Du siehst, ich bin in den besten Händen, Geliebter.«
Statt zu antworten, zog Dag sie zu sich heran und küsste sie hart und heftig auf den Mund – was Rammar nur dazu bewog, mit den Augen zu rollen.
»Nun hört schon auf damit«, maulte er. »Spätestens morgen werden die Maschinen der Hutzelbärte hier sein. Was immer ihr also vorhabt, ihr solltet es rasch tun.«
»Das werden wir«, sagte Aryanwen mit mattem Lächeln, als sie sich wieder voneinander lösten. »Ihr habt eure Aufgabe erfüllt. Nun ist es an uns, wiederherzustellen, was einst gewesen ist.«
13.
ACHGAL UR’ORK
»Was geht dort vor sich?«
Vigor sprach die Worte ganz langsam aus, sodass der Ork sie verstehen musste – der Gefangene zeigte dennoch keine Reaktion. Daraufhin nickte Vigor Kurshak zu, der die Frage ins Orkische übersetzte, doch der Unhold, den sie kurzerhand an einen Baum gefesselt hatten, antwortete noch immer nicht, schien seine Häscher noch nicht einmal wahrzunehmen.
Stattdessen waren die Züge des Orks, auf dessen Schulter das Wappen von Ansun prangte, eigentümlich verzerrt, sein Blick war starr geradeaus gerichtet. Seine Gesichtszüge waren fleckig, die Kriesgbemalung von Schweiß aufgeweicht. Die Kopfborsten, die er zu einem schmalen Kamm
Weitere Kostenlose Bücher