Die Herrschaft der Orks
reden.«
»Was ist das Problem, Oberst?«, fragte Winmar lauernd.
»Dieser Ork«, erwiderte Vigor, auf den Gefangenen deutend, »ist völlig verängstigt. Was auch immer ihm widerfahren ist, er fürchtet es so sehr, dass ihm körperlicher Schmerz dagegen völlig nichtig erscheint.«
»Ein verängstigter Ork?« Lavan verdrehte die Augen. »Fällt euch nichts Besseres ein, um Euer Scheitern zu verschleiern?«
»Jede Kreatur fürchtet sich vor etwas«, konterte Vigor, erleichtert darüber, nun ein wenig Boden gutmachen zu können. »Und die Angst der Orks gilt Kurul dem Donnerer, dem sie ihrer Überzeugung nach am Ende ihres Lebens Rechenschaft ablegen müssen und der sie in den Pfuhl von Lurak stürzt, in dem sie …«
»Kurul!« Als der gefangene Ork den Namen des Donnerers hörte, merkte er panisch auf. »Kurul! Kurul …!«
Vigor und Krushak tauschten einen Blick. Dann begann Krushak, dem Gefangenen einige Fragen zu stellen, und diesmal sprudelte es tatsächlich aus dem fremden Ork heraus, wenn auch überhastet und nicht in ganzen Sätzen.
»Was stammelt der Widerling da?«, wollte Winmar wissen.
»Soweit ich es beurteilen kann, mein König, behauptet er, Kurul begegnet zu sein«, erwiderte Vigor.
»Kurul?«, echote Lavan. »Aber sagtet Ihr nicht gerade, dass er nur ein Hirngespinst ist?«
»Nein. Ich sagte, dass die Orks davon überzeugt sind, dass es diesen Kurul gibt und dass sie ihn mehr fürchten als den eigenen Tod.«
»Und dieser hier will ihm begegnet sein?«
»In der Tat«, bestätigte Vigor, und nachdem ein weiterer Schwall gestammelter Worte über die wulstigen Lippen des Gefangenen gekommen war, fügte er hinzu: »Er sagt, dass die Blutgaleere über den Bäumen erschienen sei …«
»Die Blutgaleere.« Lavan grinste.
»Kuruls fliegendes Schiff«, erklärte Vigor, worauf Kurshak ein heiseres Schnauben von sich gab. Es war nicht zu übersehen, dass auch Vigors Handlanger plötzlich von Unruhe ergriffen war.
»Ist das sein Ernst?«, fragte Winmar von seinem Thron herab. »Dieser Kurul soll mit einem fliegenden Schiff am Himmel aufgetaucht sein?«
»Ich wiederhole nur, was der Gefangene sagt«, verteidigte sich Vigor. »Aber ich gebe zu bedenken, dass er nicht der Einzige gewesen ist, den meine Leute im Wald gesehen haben. Offenbar sind die Ork-Söldner beider Seiten in heller Panik geflüchtet.«
»Nun«, warf Lord Lavan ein, »da ja feststehen dürfte, dass es weder ein fliegendes Schiff noch ein donnerndes Wesen aus dem Jenseits gibt, solltet Ihr wohl darüber nachdenken, wie Ihr das den Orks in Eurem Heer klarmacht, ehe sie Euch ebenfalls den Rücken kehren.«
»Darüber brauche ich nicht nachzudenken, denn das weiß ich bereits«, versicherte Vigor, der die Chance ergriff, seine Machtfülle zu demonstrieren. »Unsere Orks kennen mich und wissen, dass ich jeden Söldner, der die Flucht ergreift, aufspüren und entlang der Straße nach Gorta Ruun pfählen lassen werde, so wie Rurak der Schlächter es in grauer Vorzeit getan hat. Nicht wahr, mein guter Krushak?«
Krushak ließ von dem Gefangenen ab, die Panik stand ihm in den grobschlächtigen Zügen. »Korr« , war alles, was er erwiderte.
Widerwillig.
Aber gehorsam.
14.
OURRANN’DOK’DH
ARKROSH
Trotz aller Düsternis, trotz aller Trauer um den Tod König Tandelors, trotz der Gefahr, die von Westen heranzog und die womöglich das Ende des Zeitalters der Menschen bedeutete, war es ein erhebender Augenblick.
Denn zum ersten Mal nach über einhundert Jahren des Krieges und des Zwists standen die Menschen von Tirgaslan und jene von Ansun wieder Seite an Seite, um sich dem gemeinsamen Gegner zu stellen. Nicht draußen in der Ebene, wo sie die Konfrontation keinen Tag lang überstanden hätten, sondern auf den Mauern und Türmen Andarils, jener Stadt, deren Austritt aus dem Reich einst den Konflikt ausgelöst hatte – und deren gemeinsame Verteidigung ihn nun beenden würde.
Es war Dag, der gegen den Willen seines Vaters darauf bestanden hatte, dass Aryanwen zusammen mit ihrem Tross und dem, was von ihrem Heer noch übrig war – den königlichen Leibwächtern, den Soldaten der Stadtwache von Tirgaslan sowie den verbliebenen Freiwilligen – in die Stadt gelassen wurde. Denn gegen das Heer, das sich von Westen näherte, hätten sie auf freiem Feld keine Chance gehabt.
Wenn die Berichte der Späher stimmten, so hatte König Winmar, der diesen Feldzug persönlich anzuführen schien, rund 6000 Krieger unter Waffen. Abgesehen von
Weitere Kostenlose Bücher