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Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht

Titel: Die Herrschaft der Zaren - Russlands Aufstieg zur Weltmacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klußmann
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der Tifliser Organisation der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands bei und trug den wissenschaftlichen Sozialismus in die Fabriken und Werkstätten«, und zwar »mit zu Herzen gehenden Worten«, so feiert ihn das Heft. Stalin habe bereits 1896 als Student am Geistlichen Seminar von Tiflis mit seinen Kumpanen handschriftlich das »Kapital« von Marx kopiert, denn die Jugend Transkaukasiens sei für Freiheitsideen besonders aufgeschlossen gewesen.

    Bolschewistischer Revolutionär
    Josef Stalin, um 1918
    Legende oder Wahrheit? Der Schuhmachersohn Dschugaschwili, 1878 im georgischen Gori geboren, zeigte großes Selbstbewusstsein. Dass er in jungen Jahren schon Darwin gelesen habe, wie später behauptet wurde, dürfte ins Reich der Fabel gehören. Der Biograf Isaac Deutscher sagt ihm einen »romantischen georgischen Patriotismus« nach. Georgien war von der russischen Vorherrschaft geprägt, eine Form der Leibeigenschaft existierte bis 1912.
    Das Priesterseminar in Tiflis, so viel ist gewiss, war ein Hort der antirussischen Opposition. Stalin wurde dort zum Rebell, bis er 1899 von der Schule flog. Er tauchte unter, verschwand 1902 das erste Mal im Gefängnis und dann mehrfach in der Verbannung. Die folgenden Jahre, die er mit Frau Kato und Söhnchen Jakow verbrachte, waren »ein Leben des Banditentums, der Spionage, der Erpressung und Agitation«, wie der Schriftsteller Simon Sebag Montefiore resümiert. Der Kaukasus hat den Mann mit dem Kampfnamen »Koba«, der Unbeugsame, in den ersten zweieinhalb Jahrzehnten seines Lebens geprägt. Hier lernte er viele jener Berufsbolschewiki kennen, die später in Moskau zum Apparat der Macht gehören sollten.
    Der Kaukasus wurde aber auch ihn nie mehr los. Schlimmer als andere Herrscher wütete Stalin später in seiner Heimat. Sein Freund Sergo Ordschonikidse schaltete nach der Machtergreifung 1917 die Parteiorganisationen von Armeniern, Georgiern und Aserbaidschanern gleich, schlug Aufstände im Kaukasus nieder, darunter 1924 einen im heimischen Georgien, und ließ ihre Organisatoren öffentlich hinrichten. Immer wieder veränderte Stalin Grenzen in der Region, im Zweiten Weltkrieg deportierte er ganze Völker des Nordkaukasus nach Zentralasien. Verschont blieben die Osseten. Und das wohl nur, weil Stalins Urgroßvater Ossete war.

Der letzte Kaiser
    Nikolai II. war ein wankelmütiger Alleinherrscher.
Durch Zaudern, Inkompetenz und Sturheit
ruinierte er die Monarchie.
    Von Michael Sontheimer
    A m 13. März des Jahres 1881, einem Sonntag, vergnügt sich Nicky, wie er in der Familie genannt wird, beim Schlittschuhlaufen. Als der zwölf Jahre alte Junge nach Hause zurückkehrt, herrscht im Winterpalais von St. Petersburg blankes Entsetzen. Die Mutter zieht Nicky in ein Zimmer, in dem sein Großvater liegt, Alexander II. Dessen Beine sind zerfetzt, er röchelt im Todeskampf. Ein Anarchist hat dem Zaren eine Bombe direkt vor die Füße geworfen. »Totenblass in seinem marineblauen Anzug«, so ein Augenzeuge, beobachtet Nicky den qualvollen Tod seines Opas. Die Herrschaft geht nun auf seinen Vater über, er selbst wird zum Thronfolger, Zarewitsch genannt. Die Erinnerung an den schrecklichen Tod seines Großvaters dürfte Nikolai sein ganzes Leben lang verfolgt haben.
    Er wurde der 18. Zar aus der Familie Romanow. Nikolai II. fand ein anachronistisches System vor, doch er versuchte nicht ernsthaft, die Monarchie durch Modernisierung zu retten. So wurde er zum letzten Zaren. Seine Mutter Marija Fjodorowna, ursprünglich Dagmar von Dänemark, hatte Nikolai am 18. Mai 1868 zur Welt gebracht. Nach ihm kamen drei Brüder und zwei Schwestern, mit denen er hinter den hohen Mauern der Zarenpaläste aufwuchs, fernab von den Untertanen. »Nie setzt er mir Widerstand entgegen«, sagte ein Lehrer über ihn. »Diese Ausgeglichenheit, dieser spontane Gehorsam sind einfach erstaunlich.«
    Als Nikolai mit 19 Jahren seinen Dienst beim Leibgarde-Regiment Seiner Majestät antrat, fand er das Milieu, in dem er sich wohlfühlte. Ihm behagte die Kameraderie, er genoss die endlosen Abendessen mit Champagner und Soldatenliedern. Unter den jungen Offizieren fiel er nicht weiter auf. Sein späterer Außenminister Wladimir Graf Lamsdorf schrieb über ihn in seinem Tagebuch: »Ein kleiner Husarenoffizier, nicht hässlich, aber unauffällig, unbedeutend.« Seinem Schicksal begegnete er das erste Mal bei einem Besuch in Japan, in der Stadt Otsu. Ein Japaner sprang auf den Thronfolger zu, schlug ihm mit einem

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